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DIE AUßERIRDISCHEN

Sie ließen ihn am Ende wieder frei. Aber da hatten sie ihn schon kräftig manipuliert. So wusste er seinen eigenen Namen nicht mehr – da hätten sie ihm weiß Gott was einreden können: Hinz oder Kunz (wie im Märchen vom Rumpelstilzchen) oder was immer sie sich ausgedacht haben, in ihren scheinbar kranken Gehirnen…

Denn, so dachte er, wie paranoid muss eine Psyche sein, dass sie jemanden entführt und mit ihm ihre Spielchen treibt (da hatte er keinesfalls daran gedacht, was seine Menschenkollegen alles mit ihm anstellen konnten)! Dabei wusste er nicht genau, was ihre wahre Gestalt war – sie hatten für den spezifischen Zweck eine Form gewählt, die ungefähr dem Typ eines Homo Sapiens entsprach. In Wirklichkeit mochten sie abscheuliche Wesen sein, oder aber (er zog das entschieden vor) reine Geistwesen!

Es sprach manches dafür (das hatte er sich im Laufe seines „Exils“ zusammengereimt) – die Tatsache, dass es für sie keinen Raum zu geben schien und vor allem keine Zeit. Und dass sie den Geschlechtsakt vor aller Augen vollzogen, und das rein geistig – er hatte es nur an den Auswirkungen gesehen. Sie waren völlig erschöpft aus der Übung aufgetaucht, was dem Umstand geschuldet sein mochte, dass sie eine ungewohnte Kalibrierung eingegangen waren. Ja, und vor allem der Fakt, dass zwei Geschlechter geben musste, jedenfalls traten sie paarweise auf – was immer das in ihrer Welt bedeuten mochte.

Da fiel ihm plötzlich ein, einen römischen Bürger im Jahr Null (nach irdischer Zeitrechnung) gesehen zu haben, einen Angehörigen der Stonehenge-Kultur (2000 v.Chr.) und einen Mann aus der Körös-Kultur (4000 v.Chr.) – wie erinnerlich waren weder Raum noch Zeit ein Thema für die Außerirdischen. Wenn man die letzten 6000 Jahre miteinander vergleicht, hat sich technologisch einiges getan, und in immer größerer Geschwindigkeit. Aber was die Ethik betrifft – hier war nicht der geringste Fortschritt zu verzeichnen. Waren die Fremden dazu ausersehen, die ethischen Gegebenheiten von uns Menschen zu analysieren? Die Technik, im Sinne von Handwerk, interessierte sie nur am Rande, darüber waren sie schon längst hinaus.

Aber in wessen Auftrag überprüften sie das sittliche Verhalten. Oder aber – gab es keinen Auftraggeber! Der Frage war nachzugehen, da stand er ganz am Anfang. Und wie hatten sie ihn freigelassen, so ohne Namen, das störte ihn am meisten – am Zweitwichtigsten erschien ihm die Tatsache, dass er nicht wusste, wo er war. Und dann kam ihm die Erkenntnis, dass er vielleicht das riesige Raumschiff, in dem die Außerirdischen gekommen waren, gar nicht verlassen hatte, und nur in einem Bereich verfrachtet wurde, den er bis jetzt nicht zu Gesicht bekommen hatte. Es handelte sich um ein großes Labor – mindestens erschien ihm das so. Zweck – vorerst unbekannt!

Jedenfalls ging es um ihn – so viel war gewiss!

Die Außerirdischen tauchten auf, sonder Zahl. Das Raumschiff musste tatsächlich riesig sein und alles Vorstellbare übersteigen. Besonders die weiblichen Besatzungsmitglieder (oder das, was er dafürhielt, wenn er die Kalibrierung für bare Münze nahm) drängten sich an ihn heran, nicht eng zwar, denn es war, wie gesagt, nur ein geistiges Manöver. Das bedeutete aber nicht, dass es weniger intensiv war – im Gegenteil, er hatte noch nie etwas erlebt, was sich nur annähernd so effektiv darstellte, wie dieser grenzüberschreitende Orgasmus. Dann aber forderte der männliche Teil der Crew (oder das, was er dafürhielt, wenn er die Kalibrierung ernst nahm) sein Recht ein, das auch erleben zu dürfen. Am Ende geschah es, dass er ein wenig übermüdet war.

Die Außerirdischen ließen das nicht gelten – es gab noch so viel zu entdecken. Das sittliche Verhalten – auf dem ritten sie besonders herum, er aber fühlte sich abgekämpft und ausgelaugt. Die Oberste der Nichtmenschlichen, genannt Ψ, kam aus ihrer Deckung heraus und schlug vor, gleich weiterzumachen in puncto Moralität. Er fühlte sich darüber hinaus ein wenig unsicher: Was sollte das bedeuten, dieses ständige auf dieselbe Sache zurückkommen? Mit letzter Kraft begehrte er auf, wurde durch Ψ zurückgepfiffen: So viel kam nicht auf ihn…

Obwohl, er hatte nichts zu verlieren – er verhandelte aus seiner Sicht aus einer Position der relativen Stärke heraus. Sogar sein Name fiel ihm wieder ein: Stephan Reinfeld, verheiratet mit Claire Dumont, ein Sohn namens Thomas, Beruf Steuerberater, also nicht das, was man sich unter einem Träumer vorstellt. Drei Wochen Urlaub im Jahr, und bei dieser Gelegenheit hatten ihm die Außerirdischen aufgelauert, als er an einem einsamen Strand spazieren ging. Wieso sie ihn auserwählten, blieb ein Rätsel – vielleicht, weil er sich so weit von den übrigen Hotelgästen entfernt hatte.

Noch rätselhafter erschien ihm, dass sie ihn ausgesucht hatten – oder aber steckte ein System dahinter: der Durchschnittsbürger par excellence! Durchschnittlicher ging‘s kaum noch!

Es stellte sich heraus, dass nicht nur er, sondern auch seine Frau Claire und sein Sohn Thomas entführt worden waren – Ψ hatte damit herausgerückt, und da waren sie auch schon. Das war ein Wiedersehen, bis die Sorge um ihr eigenes Schicksal wieder die Oberhand gewann Was hatten die Nicht-Menschlichen mit einer ganzen Familie vor – Ψ gab sofort die Antwort: Sie wollten einen „humanen Akt“ sehen und das, was da herauskam, nämlich unseren Nachwuchs, und das rasch. Stephan und Claire genierten sich etwas, das vor ihrem Sohn machen zu müssen, ganz abgesehen von jeder Menge von Außerirdischen. Und so gerieten wir langsam in Fahrt, vergaßen den Sohn und die Außerirdischen – wir rissen uns die Kleider vom Leibe, und fickten munter drauflos. Die Nicht-Menschlichen waren bass erstaunt – so etwas hatten sie noch nie gesehen. Unser Nachwuchs war in der Pubertät. Er riss sich nach kurzem Zögern ebenfalls die Kleider vom Leibe und masturbierte. Wenn schon, denn schon wollten wir es denen zeigen, selbst wenn dies unser letzter Auftritt gewesen wäre.

Ψ und die übrigen Außerirdischen spendeten uns Applaus (zumindest verstanden wir es so), was immer in der Welt, aus der sie gekommen waren, bedeutete. Sie trugen, jedenfalls in der Kalibrierung, die sie gewählt hatten, (Männer wie Frauen, die weiblichen Wesen barbusig) einen Lendenschurz, und nachdem sie den abgenommen hatten, hob ein Gebumse an – und zwar richtig, wie es Menschen machen. Und da hatten wir Oberwasser, wir kritisierten sie schonungslos und unbarmherzig, wie sie es nicht anstellen sollten. Siehe da, sie gehorchten uns willig und ohne jegliche Wiederrede. Zum Schluss hatten die meisten es schon drauf – wir aber wollten uns bei nächster Gelegenheit verdünnisieren!

Ψ war jedoch auf der Hut – sie machte dem Treiben ein jähes Ende. Man musste schon aufpassen, dass man hier nicht ins Hintertreffen geriet, aber die Oberste der Nicht-Menschlichen gebot ihrer Mannschaft, ihre Überlegenheit anzuerkennen. Sie vollzog einen kompletten Sinneswandel, obwohl sie anfangs noch fleißig beteiligt gewesen war. Ihr Partner fiel aus allen Wolken, als sie ihn unbefriedigt zurückließ. „Die manipulieren uns doch nur!“, kam ihr plötzlich die Erkenntnis. Die Aufregung von ihren Leuten machte sie einfach nieder – Patt-Situation, oder Überlegenheit einer fremden Lebensform. Das war ausgemacht, zumal die Außerirdischen ihr wahres Gesicht zeigten: Und das war durchaus furchterregend!

Abscheu!

Sie waren so abscheulich, dass es zu vergessen war – nicht die Geistwesen, von denen Stephan insgeheim geträumt hatte. Sie hatten einen spitzen Kopf mit roten bösen Augen (das war eigentlich das Schlimmste) und ein angsteinflössendes Gebiss. Ihr Körper war eigentlich eine gallertige Masse, die von allen Seiten her auseinanderlief. Soweit man erkennen konnte, waren sie nackt bis auf die Haut und darunter. Sie redeten plötzlich in einer anderen Sprache (einem Krächzen) – da war nichts „Menschliches“ mehr zu finden.

Das einzige, was gleich war, bestand in Ψ, der Obersten der Außerirdischen. Das heißt, so genau konnte man das nicht mehr sagen – auf den ersten Blick war das füglich nicht zu erkennen, was „männlich“ oder „weiblich“ war. Und die Menschen, wenn sie ganz ehrlich waren, wussten den Unterschied nicht wirklich. Die krächzenden Ungeheuer begannen mit ihren fragwürdigen Experimenten – sie starteten mit dem Sohn, während Stephan und Claire festgebunden waren. Sie nahmen auf die Gefühle der Eltern keinerlei Rücksicht und zerlegten Thomas vor den Augen des Vaters und der Mutter in seine Einzelteile. Das Opfer schrie sich zunächst noch die Seele aus dem Leib, bevor es leblos und in seinen Komponenten dalag.

Dann kam Claire dran. Sie beschwerte sich bereits von herein, die Qualen ihres Sohnes vor Augen, aber es nützte ihr nichts. Sie wurde ebenfalls in ihre Bestandteile zerlegt. Stephan – er schwieg eisern bis zum Schluss. Als die Außerirdischen ihn in seine Komponenten aufgelöst hatten, war Ruhe.

Ψ und ihre/seine Mannschaft waren zutiefst unbefriedigt…