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Kapitel 7

LIEBE

Kapitel 7 – Vers 1 bis 3

(under construction)

Kapitel 7 – Vers 4

Da war Monsignore Marianus Tulzer in Rom, zunächst gegen seinen Willen, aber das hielt nicht lange an – über kurz oder lang unterlag er den Zauber dieser besonderen Stadt. Er war hier beruflich in Wirklichkeit für nichts so richtig zuständig, ja man war versucht zu sagen, dass er eine Reihe nutzloser und sinnloser Tätigkeiten vollzog.

Das störte ihn aber nicht im Geringsten, eher im Gegenteil – er hatte nur Jungs im Allgemeinen im Sinn, und seit geraumer Zeit auch die unverwechselbare Katherina, die ihm die Freuden spezifischer heterosexueller Beziehungen eröffnet hatte. Marianus ließ sie umgehend nachkommen, sowie die näheren Umstände seines Aufenthalts bekannt waren. Er mietete ihr eine kleine Wohnung im XIII. Rione, in Trastevere, auf ihre Kosten (sie hatte sich dazu ihren Erbteil auszahlen lassen). Für ihren weiteren Unterhalt sorgte die Beschäftigung in einer karitativen Einrichtung, die warme Mahlzeiten für Bedürftige anbietet, gleich in der Nähe, wo sie ihre Erfahrung auch ohne Italienisch-Kenntnisse einbringen konnte.

Apropos Beruf: Der bewusste Orden, der nicht genannt werden soll, hatte seinen Hauptsitz in der Ewigen Stadt „jenseits des Tiber“ (trans Tiberim) nicht weit vom Logis Katherinas entfernt. Der Stadtteil erstreckt sich vom südlichen Tiberknie bis zum Hügel Gianicolo auf dem rechten, westlichen Ufer des Tibers und gilt als das volkstümlichste Gebiet der Metropole. Überproportional viele alte Wohngebäude und enge Gassen machen dieses alte Viertel zum pittoresken Magneten für Touristen und Fotografen – und in Trastevere haben verschiedene Stellen des Vatikan ihren Sitz.

Unter anderem lag dort die Residenz des hochlöblichen Abtprimas, der den Monsignore, der ihm da hineingeschoben wurde, von Anfang an links liegen ließ. So weit ging allerdings seine Sorgfaltspflicht schon, dass er Tulzer jeden Morgen sehen wollte, oder wenn er keine Zeit hatte (etwa wenn er seine zahllosen Auslandsreisen absolvierte), sein Stellvertreter. Marianus aß zwar artig sein Mittagsmahl, aber dann hatte beim besten Willen nichts mehr zu tun. Am Nachmittag verdünnte er sich, ohne dass das jemanden aufgefallen wäre.

Er genoss die Sehenswürdigkeiten Roms in vollen Zügen, wobei er sich vornehmlich in eine Ära versetzte, als die „Urbs“ noch richtig mächtig war, ungefähr vor 2000 Jahren auf dem Höhepunkt ihrer Dominanz über die anderen Völker der damals bekannten Welt, manifestiert in dem Titusbogen auf dem Forum Romanum. Dort hielt sich Tulzer oft stundenlang auf und hing seinen Gedanken nach, die sich um die überwältigende Größe und beeindruckende Signifikanz drehten.

Auf seinem Heimweg begegnete er jeder Menge Kuttenträger (ich sag’s jetzt einmal so respektlos), die von denen er sich grüßen ließ oder die er selbst grüßte, je nach „Dienstgrad“. Aber nie wechselte er ein Wort mit so Wahrgenommenen – ein kurzes „Laudetur Jesus Christus!“, worauf der Angesprochene „In aeternum. Amen“ antwortete, oder alternativ „Per omnia saecula saeculorum!“, worauf ein schlichtes „Amen“ folgte.

Dann begab sich Marianus regelmäßig in Katherinas Bleibe, wo er im Normalfall feststellte, dass sie noch nicht da war, da sie sich kaum vor acht Uhr abends loseisen konnte. Er machte es sich bequem, was bedeutete, dass er wohl sein Priesterkleid ablegte, aber nicht seine Würde – er sah auch in Zivil aus, wie aus dem Ei gepellt (so würden es die deutschen Freunde ausdrücken). Er packte sein Brevier aus, um die Komplet zu beten. Es war zwar etwas früh für diese “Schlussandacht”, aber da er die restlichen Teile bereits zelebriert hatte (und überdies die Absicht hatte, mit der Geliebten zu schlafen), zog er das einfach vor. Die Skrupel, die er nach wie vor mit der Frau hatte – und die darüber hinaus im krassen Gegensatz zu seinen päderastischen Erfahrungen standen – ließen es opportun erscheinen, einen gewissen Abstand einzuhalten.

Tulzer betete leise:

Gott, komm mir zu Hilfe.
Herr, eile, mir zu helfen.
Ehre sei dem Vater. Wie im Anfang.

Der allmächtige Gott erbarme sich unser. Er lasse uns die Sünden nach und führe uns zum ewigen Leben. Amen.

Gott, dessen Wort die Welt erschuf
und dessen Wille sie erhält:
du hüllst den Tag in holdes Licht,
in gnäd’gen Schlaf die dunkle Nacht.
Dich träume unser tiefstes Herz,
wenn uns die Ruhe nun umfängt.
Der Schlaf erquicke unsern Leib
und rüste ihn mit neuer Kraft.
Dir sei der Lobpreis dargebracht,
Gott Vater, Sohn und Heil’ger Geist

Nun lässt du, Herr, deinen Knecht,
wie du – –

Vor seinen geistigen Augen erschien ein schnuckeliger Strichjunge, der bereitwillig sein Hinterteil präsentierte.

Marianus rief laut und inbrünstig: “Vade retro, Satanas! Weiche, Satan!” Und der Teufel wich tatsächlich!

– – Nun lässt du, Herr, deinen Knecht,
wie du gesagt hast, in Frieden scheiden.
Denn meine Augen haben das Heil gesehen,
das du vor allen Völkern bereitet hast,
ein Licht, das die Heiden erleuchtet,
und Herrlichkeit für dein Volk Israel.

Sei unser Heil, o Herr, wenn wir wachen, und unser Schutz, wenn wir schlafen; damit wir wachen mit Christus und ruhen in seinem Frieden.

Am Abend rufen wir zu dir: Bewahre uns in dieser Nacht vor allem Bösen. Lass uns in deinem Frieden ruhen und morgen den neuen Tag mit deinem Lob beginnen. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

Eine ruhige Nacht und ein gutes Ende gewähre uns der allmächtige Herr. Amen.

Kurze darauf tauchte Katherina und verfügte sich gleich in die Küche, wo sie ein Fünf-Gänge-Menü der exquisiten Art hervorzauberte. Entsprechend legte Tulzer im Laufe der Zeit an Gewicht zu und wurde richtig faul. Auch Katherina wurde fett, aber an den richtigen Stellen – es stand ihr eigentlich ganz gut, im Gegensatz zu Marianus, der schrankenlos in die Breite ging. Der Monsignore begann an einer milden Form von Agnosie zu leiden, gleich dem alten böhmischen Pfarrer, der sich fragt „Wer wass‘, ob’s wahr is!“

Die Beiden schliefen miteinander, aber immer seltener…

Kapitel 7 – Vers 5

Pjotr Perwonatschaljnow: Zum Schluss, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, bekommt er Aids, das Acquired Immune Deficiency Syndrome. Das Schlimme daran war, dass er bis zuletzt keine Beschwerden gehabt hatte – bis es zu spät war und die Ärzte nichts mehr machen konnten.

Das hatte er offensichtlich von jemandem anderen, mit denen er ohne Kondom verkehrt hatte – er hatte geradezu darauf bestanden, es ohne diesen „Liebestöter“ (so Pjotr) zu machen. Da gab es unter den Damen reichlich Auswahl: Estefânia, Veronique, Yorshiko Yamamoto um nur einige zu nennen. Mit einer Ausnahme – Amy Huxstable, denn sie wunderbarerweise (wenn man ihren Lebenswandel bedenkt) noch Jungfrau, als er sie kennenlernte. Sie war es auch, die ihm die letzte Ehre gab – abgesehen von Cora und mir.

Um es abzukürzen – am Grabstein (auf dem Friedhof in Wien-Strebersdorf) stand lapidar:

PETER PANIGL

Und kein Hinweis auf das Geburtsdatum, kein Hinweis auf das Datum seines Todes. Kein Geistlicher, gleich welcher Konfession, keine Musik. Dann wurde er verscharrt – anders konnte man es zu meinem Leidwesen nicht nennen…

Aber halt – da tauchte ein Gitarrenspieler auf, der folgendes von sich gab:

Schön ist ein Zylinderhut,
Juchheidi, juchheida,
Wenn man ihn besitzen tut.
Juchheidi, heida.
jedoch von ganz besondrer Güte
Sind stets zwei Zylinderhüte.
Juchheidi, juchheida,
Juchheidi, juchheirassa,
Juchheidi, juchheida,
Juchheidiheida

Hat man der Zylinder drei,
Hat man einen mehr als zwei.
Vier Zylinder, das sind grad
Zwei Zylinder zum Quadrat.

Fünf Zylinder sind genau
Für drei Kinder, Mann und Frau.
Sechs Zylinder, es ist toll,
Machen das halbe Dutzend voll.

Sieben Zylinder sind genug
Für nen kleinen Leichenzug.
Hat man der Zylinder acht,
Wird der Pfarrer auch bedacht.

Hat man der Zylinder neun,
Kriegt der Küster auch noch ein.
Zehn Zylinder sind bequem
Für das Dezimalsystem.

Elf Zylinder, o wie fein,
Sind zwölf Zylinder minus ein.
Zwölf Zylinder, o wie schön,
Würden den Aposteln stehen.
Juchheidi, heida.
jedoch von ganz besondrer Güte
Sind stets zwei Zylinderhüte.
Juchheidi, juchheida,
Juchheidi, juchheirassa,
Juchheidi, juchheida,
Juchheidiheida

Der Gitarrenspieler war genauso schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war.

Amy lud uns in ihre Villa ein – die gehörte jetzt nach dem Hinscheiden von Pjotr oder Peter ihr, genauso wie sein nicht unbeträchtliches Vermögen, auch wenn die formale Verlassenschaft noch nicht abgewickelt war…

Die Huxstable war, obwohl Cora und ich sie bis jetzt nur flüchtig kannten, auf amerikanische Art nett und aufgeschlossen – da hatte sie kein Problem. Sie bot uns einen Tee an (Earl Grey, wohlgemerkt, denn den hatte ihr Liebster getrunken), dazu reichte uns Cookies. Und dann brach es aus ihr hervor: „Was sollte dieser merkwürdige Auftritt -“ sie verstand kein Deutsch – „what the hell was this curious performance?“

Ich sagte ihr: „I don‘t know either!“

Sie antwortete: „Forget it!“

Cora fragte, was Amy in Zukunft machen wollte. Sie sagte, das wisse im Moment nicht. Aber das hätte ja keine Eile. Ich gab ihr da absolut recht. Sie führte aus, dass sie unbedingt zur Ruhe kommen müsste – nach den Fährnissen ihres Lebens…

Als erstes musste sie Deutsch lernen, was sie auch im Hinblick auf Cora und mich anstrebte. Wir konnten zwar beide Englisch und hatten auch keine Probleme damit. Aber die Huxstable fand, da wir in einem zumindest vorwiegend deutschsprachigen Land zuhause waren, musste sie sich anpassen. Ich empfahl ihr das nämliche Berlitz Center, in dem schon Yulin gewesen war. Sie hatte allerdings nicht die Döring, sondern einen alten Knacker…

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Kapitel 7 – Vers 6 bis 9

(under construction)