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ROMAN NR. 10 – Leseprobe 7

Kapitel 19

Zoé wurde konsequent besser in ihrem Job. Sie setzte ihre Reize als Frau immer gezielter ein – und weniger auffällig, dafür umso stringenter. Sie lief zu ihrer mit der Zeit zu ihrer Höchstform auf.

Sie hatte den Auftrag von dem Herrn Generaldirektor Gerhard Wagner persönlich, der voll des Lobes über ihre Fähigkeiten war und die restlichen Vorstandsmitglieder überzeugt hatte – und sei‘s nur, dass die Wünsche des „Generals“ erfüllt waren. Dass dabei die Mitarbeiterschaft extrem Belastungen ausgesetzt war, schien den Herren völlig gleichgültig zu sein – im Gegenteil: der Vorstand genoss es richtig, wenn die Untergebenen so richtig durcheinander gewirbelt wurden.

Zoé als Unternehmensberaterin – das war ihre Leidenschaft geworden. Schöpferische Zerstörung war mittlerweile ihr Motto – von einem willfährigen Management unterstützt. Das dabei auch wertvolle Ressourcen vergeudet wurden – die Mitarbeiter waren mit sich selbst beschäftigt -, stellte sich erst lang nach dem Abgang Zoés heraus.

Inzwischen taten ihr alle schön, allen voran die besonders Eifrigen, während die besonnene Belegschaft in die innere Emigration abwanderte und auf bessere Zeiten hoffte. Endlos hatte Zoé Zeit, sie wurde nach im der Firma verbrachten Stunden – sie hatte wohlweislich keinen Fixpreis vereinbart.

So schlug sie sich – zusammen mit einer handverlesenen Anzahl von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus den verschiedensten Abteilungen – ewig mit dem sogenannten „Problem Nummer 29“ (die Probleme waren mit Nummern versehen – es gab 111 davon) herum. Es ging dabei um die Frage, wie sehr sich die Weltwirtschaft in den nächsten zehn Jahren entwickeln würde – für mich ein absolutes Orchideenthema, wenn sie mich so fragen.

Kapitel 20

Von den drei Freunden, die Nicolas in seine Beziehung mit Zoé hinüberretten konnte, war Ludwig Winter die Nummer Drei. Sein Vorteil bestand darin, dass er ganz „normal“ war – ein Vorteil und gleichzeitig ein Nachteil. Vorteilhaft war, dass er sich von der großen Masse der Bevölkerung nicht unterschied, zum Nachteil gereichte es ihm, dass er sich von der großen Masse der Bevölkerung nicht unterschied, wenn wir wissen, was damit gemeint ist – capisce!

Und so lebte er vor sich hin, unbelastet von irgendwelchen Ressentiments oder Aversionen oder Widerwillenskundgebungen. Bis endlich, ja bis endlich die Rede auf Nala Mandisa kam. Er fürchtete sie wie Teufel das Weihwasser – so ebenholzschwarz wie sie war. Dabei begehrte sie von dem Moment an, wo sie in sein Leben trat. Sie war trotz ihrer Schwärze eine wunderschöne Frau – hier klafften Verstand und Gefühl ordentlich auseinander.

Ludwig versuchte, Nala zu vergessen. Je mehr er sich bemühte, sie zu vergessen, desto mehr stand wie ein Fanal vor seinen Augen. Dabei war noch nichts Konkretes passiert, was diese Vorstellung rechtfertigen könnte. Nicolas sah‘s pragmatisch: er fragte sich im Ernst, warum er Ludwig in den Kreis der Erlauchten aufgenommen hatte.

Kapitel 21

Wer ist davor gefeit, dem Rausch nicht nachzugeben und zu weit zu gehen. Zoé hatte es ein einziges Mal probiert (so wie sie vieles einmal probiert hat) und war direkt erschrocken, wie weit sie gehen würde. Im Zentrum der Performance steht ein vom großer Tank von riesigen Ausmaß. In diesem Behälter, der in seiner Form an ein überdimensioniertes Reagenzglas erinnert, kann der Körper als Experimentierfeld und als Gegenstand des Umbaus gezeigt werden.

Zoé stellte sich die Frage, wie neue Technologien unser Nachdenken über den Körper verändern. Sie ließ sich in dem Tank hüllenlos unter Wasser mit einer Kette gefesselt treiben und Nicolas hatte mit ihr zu üben. Der Plan war, dass sie sich mühselig, aber kontrolliert, wieder „hervorwurschteln“ musste. Plötzlich erfasste Nicolas ein Rausch, dem er nicht widerstehen konnte. Er ließ sie schmoren, bis sie nicht mehr konnte – aber er gab nicht auf. Erst als sie ohnmächtig wurde, zog er sie aus dem Wasser – in letzter Sekunde fing er an, sie wiederzubeleben. Sie wachte auf, und das erste, was sie Nicolas sagte, war „Hau bloß ab!“

Mit der Zeit, dämmerte es ihr, Nicolas ihr einen ungeheuren Gefallen getan hatte. Ist dieses Wesen ein Experiment, vielleicht sogar eine genetische Neuschöpfung wie Ripley in Teil 4 (Die Wiedergeburt) der Filmserie Alien? Möglicherweise. Auf jeden Fall ist das, was in diesem Stück der fiktiven Zoé mit dem Körper des Menschen Zoé passiert, ebenfalls einigermaßen unheimlich. Mitten auf der Bühne ragt eine große Glasröhre auf, in der eine undefinierbare, nebelhafte Substanz wabert. Und da: eine Hand, ein Umriss, ein Bein, ein nackter Körper, der in der hochenergetischen Spannung der Musik vibriert. In diesem Drama packt das heikle Thema der Körpermodifikationen an, mit allem, was damit – zwischen Glücksverheißungen und dystopischen Aussichten – verbunden wird.

Beim Stichwort „Nacktbadenixe“ kommt Nicolas’ Phantasie in die Gänge. Wieder zuhause brauchte brauchten sie eine Zeit lang, bis sie begriffen, dass es nicht immer so reibungslos ablaufen musste. Insbesondere wenn Gefühle mit im Spiel sind…