DER IMPERATOR – Leseprobe 7
NEUNZEHNTES KAPITEL
Und kam der, auf den Livia scheinbar ihr ganzes Leben gewartet hatte. Er hieß Livius – nomen est omen. Er war Soldat, Centurio, Führer einer militärischen Hundertschaft, kein Angehöriger der Nobilität, aber ein Mann von durchaus respektablen Beruf – er war Angehöriger der Prätorianer-Garde des Kaisers. Er hatte von vornherein den Segen des Vaters, der schon befürchten musste, dass sie abglitt in eine ungewisse Zukunft. Die Mutter, die markomannische Prinzessin, fand ihn einfach süß, wie er so in‘s Landgut kam, in seiner schicken Uniform.
Er hatte von Livias Vergangenheit gehört und es störte ihn nicht – er hatte auch seine diversen Erfahrungen. Gleiches Recht für alle, sagte er – eine bemerkenswerte Ansicht für diese Zeit. Kein Wunder, hatte Livius sie doch in der Spelunke kennengelernt, in der Prätorianer gerne verkehrten – übrigens ein reichhaltiges Betätigungsfeld für Livia.
Ihn sehen und es war um sie geschehen.
Livia hatte nur noch Augen für – Livius. Da erfuhr sie erstmals seinen Namen und stellte am nächsten Morgen gleich den Eltern vor. „Du musst nicht nervös sein – sie sind im Normalfall ganz patente Leute!“, sagte sie.
Er war hochgradig nervös. Er putzte seine Uniform auf Hochglanz und dann kam der Augenblick, wo er präsentiert wurde. Zu seiner großen Überraschung präsentierten sich Gallienus und Arminia völlig freundlich und zuvorkommend. Sie luden Livius gleich zum Frühstück ein – er saß ein wenig steif da. Das römische „Lentaculum“ war eine leichte Mahlzeit, die meist aus Brot oder Mehlbrei mit etwas Obst, Käse oder Honig bestand.
„Entspann’ Dich – wir sind hier unter Freunden!“, sagte Gallienus, eifrig assistiert von Arminia. Gallienus plauderte harmlos über dies und das, wieder eifrig assistiert von Arminia.
„Wir wollen heiraten!“, jubilierte Livia, ohne Livius um seine Meinung gefragt zu haben – sie war ein sehr selbstbewusste junge Frau.
ZWANZIGSTES KAPITEL
Dem Kaiser gelang ein entscheidender Schlag gegen die inländischen Gegenspieler. Eine Gruppe von Senatoren setzte alles auf eine Karte, wagte den offenen Aufstand. Sie hatten eine Reihe von Legionen, die unvollständig und unzureichend ausgebildet waren, zusammengetrommelt. Das war die Chance für Gallienus.
Er hatte damit einen maßgeblichen Vorteil für sich – die sich straffe Organisation seiner eigenen Legionen gegen den bunt zusammengewürfelten Haufen an Usurpatoren. Er besiegte quasi im Vorübergehen und er hatte für lange Ruhe vor ihnen.
Gallienus wandte sich der wesentlich schwierigeren Aufgabe – der Bekämpfung ausländischer Feinde, wo immer sich diese aufhalten mochten. Und hier kam wieder Arminia mit ihrem diplomatischen Geschick zum Tragen. Und das führte uns auf die arabische Halbinsel.
In vorislamischer Zeit wurden die Araber in Beduinen auf der einen und die sesshaften Araber auf der anderen Seite unterteilt. Die sesshaften Araber hatten eine Art von Hochkultur entwickelt. Die „Weihrauchstraße“ verband Südarabien mit dem Norden der arabischen Halbinsel und endete in Gaza am Mittelmeer. Auf diesem Handelsweg gelangten die Luxuswaren Südarabiens (Weihrauch und Myrrhen) in die Mittelmeerwelt. Aber nicht nur südarabische Erzeugnisse wurden auf dieser Route transportiert: Von den Häfen Kana und Aden an der Südküste der arabischen Halbinsel bestehen Seeverbindungen nach Indien. Asiatische Waren, vor allem Gewürze, gelangten so über die arabischen Karawanenstraßen nach Norden.
Das ging für eine lange Zeit gut – aber die Römer in ihrem Drang zum Expansionismus versuchten früher oder später ihr Territorium zu erweitern. Mag es sein, dass örtliche Kommandanten ihre Gerenz überschritten, mag es sein, dass es aus Jux und Tollerei passiert war. Der große Krach stand bevor.
Arminia musste ihre außerordentliche Diplomatie aufbieten – mit ungewissem Ausgang.
EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Hochzeit war – eine außergewöhnliche Feier und anschließend ein rauschendes Fest! Die Diplomatie blieb ausnahmsweise außenvor…
Die Braut hatte bei der Verlobung vom Bräutigam einen Ring erhalten, den sie seitdem am Ringfinger der linken Hand trug. Am Vorabend der Hochzeit wurde sie mit einer weißen Tunica recta, häufig einer gelbroten Palla galbeata und einem gelben Schleier, dem Flammeum, bekleidet. Der Tag der Hochzeit begann in der Früh‘e mit einer Eingeweideschau im Haus der Brauteltern. Wenn das Ergebnis günstig war, wurde der Ehevertrag vor Zeugen verlesen. Eine alte Frau, die in erster Ehe leben musste, verband die rechten Hände der Brautleute. Dabei sprach die Braut die Formel „UBI TU GAIUS EGO GAIA“.
Livia war ein Genuss für das Auge, Livius in seiner schicken Ausgehuniform. Es war rauschendes Gelage, das bis zum Morgen andauerte. Die Leute lagen bei Tisch auf einem speziellen Speisesofa – um den Tisch wurden drei dieser Sofas hufeisenförmig aufgestellt, für maximal drei Personen. Das Braut wurde auf einen Ehrenplatz gesetzt , daneben Gallienus als Brautvater – die Brautmutter saß gleich nebenan, an einem benachbarten Tisch.
Es wurden Schweinekoteletts gereicht, die außerordentlich begehrt waren, Gänse, Kapaune und Poularde, Fische am Stück, die in Süß- und Salzwasserteichen gezüchtet wurden. Anschließend gab es Obst – es wurden besonders gerne Trauben gegessen. Daneben spielten Feigen und Datteln eine große Rolle, Granatäpfel wurden in vielen Varianten verzehrt, Quitten, diverse Apfelsorten und Aprikosen.
Außer Wasser, das seit etwa 300 vor Christus in guter Qualität überall in Rom zu haben war und das warm oder auch schneegekühlt getrunken wurde, gab es eine Mischung aus Wein und Honig, sowie Wein selbst, der üblicherweise mit Wasser verdünnt getrunken wurde.
Danach wurde getanzt. Tanz spielte im antiken Rom eine bedeutende Rolle, sowohl in zivilen Ritualen, als auch in der Unterhaltung. Es gab verschiedene Tanzformen, darunter volkstümliche Tänze wie der Saltarello. Der Tanz war ein integraler Bestandteil vieler Feste und Feierlichkeiten.
Livius erwies sich als hervorragender der Tänzer – aber Livia stellte ihn in den Schatten. Wenn sie richtig aufgedreht war (was auf Grund des Alkoholkonsums kein Wunder war), ließ sie wahrhaftig die Sau ‚‘raus. Sie tanzte in den obszönen Bewegungen, bis Mutter sagte: „Jetzt ist es aber genug – geh‘ mit Deinem Mann in Euer vorbereitetes Brautgemach!“