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DER IMPERATOR – Leseprobe 8

ZWEIUNDZWANZIGES KAPITEL

Gallienus und Arminia gönnten sich einen kurzen Urlaub im kaiserlichen Schloss auf Capri. Livia, die Kronprinzessin, und Livius, als Prinzgemahl, hatten derweil die Stellung zu halten. Livia war mächtig stolz auf ihre neue Position – sie gab sich „staatsmännisch“ und würdevoll. Livius, der sie bis dato nicht so erlebt hatte, stand staunend daneben und versuchte, „pulchra figura“ zu machen, was ihm angesichts der eindrucksvollen Uniform des Centurios auch einigermaßen gelang.

Livia rührte im Staatsapparat kräftig um, nicht zur Freude einzelner Beamter, aber ihr Vater ließ sie gewähren. „Solange die Kronprinzessin keinen gröberen Schaden anrichtet, könnt Ihr sie lassen. So wird sie langsam an‘s Regieren gewöhnen!“, ordnete er an. Das sagte er ihr nicht persönlich, da er um die Reaktion seiner Tochter fürchteten musste.

Die Eltern fuhren nach Capri. Nach ein paar Tagen hatten sie das Lebensgefühl der Insel „inhaliert“ und Gallienus begann, das Gefühl des Nicht-Regierens sachte zu genießen. Arminia ging es genau so – diese ständigen diplomatischen Gratwanderungen gingen ihr langsam auf die Nerven.

Nichtstun war angesagt. Sie meditierten vorzugsweise in der freien Natur. Dann liebten sie wieder, wie am Anfang ihrer Beziehung – wild und unmittelbar. Weil sie sich im Alltag ihrer Verbindung verloren hatten, genossen sie jetzt umso mehr das Verhältnis. Sie erlebten quasi einen Frühling.

Alles hat einmal ein Ende – Gallienus und Arminia kehrten zurück. Livia und Livius, die mittlerweile den kaiserlichen Palast in Rom als Wohnort bezogen hatten, begrüßten das Kaiserpaar auf dem Landgut. Livia hatte, entgegen der Befürchtungen der Beamten, einige kluge Entscheidungen betreffend den geheimen Feldzug gegen die Araber getroffen – indem sie ihn kurzerhand abgesagt hatte, um die Kräfte des Reichs nicht zu überspannen. Dabei hatte sie sich mit einigen der lokalen Kommandanten erfolgreich durchgesetzt.

Der Kommentar des Vater war schlicht und ergreifend: „Na also, sie kann‘s ja doch!“

DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL

Salonina unternahm einen (und wie der Kaiser glaubte, den letzten) Versuch, die frühere Macht zurückzugewinnen, nicht weil sie seine Person plötzlich so sympathisch fand, sondern um die Stellung an seiner Seite zu behaupten. Sie schickte nach ihm und da er ein höflicher Mensch war, leistete er diesem Folge. Sie tat ihm aus heiterem Himmel schön, aber hatte das Messer schon parat, das sie versteckt hielt, um ihn umzubringen und sich selbst und ihre Kinder zu rehabilitieren und die angestammte Ordnung wiederherzustellen.

Gallienus machte dem ein Ende, indem er zurückwich und Salonina in‘s Leere laufen ließ. Im nachfolgenden Prozess wurde Salonina Hochverrat und Gewalttätigkeit gemäß dem römische Strafrecht vorgeworfen. Darauf stand die Todesstrafe!

Der Anwalt, den sie sich genommen hatte, versuchte sein Möglichstes, um das zu vermeiden und „lebenslänglich“ zu fordern. Allein – der Kaiser höchstpersönlich intervenierte und verlangte die Höchststrafe. Auf dem Tarpejischen Felsen (im antiken Rom wurde die südliche Spitze des Kapitolhügels so bezeichnet) wurden die Todesurteile durch Hinabstoßen vom Fels vollstreckt. Ein zum Sterben schöner Tod (im Wortsinn).

Die Söhne von Salonina wurden an‘s Schwarze Meer in‘s Exil verräumt – ein berühmter Ort, um die Delinquenten auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen. Von ihnen hat man auch nie wieder gehört.

VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL

Livia (als Kronprinzessin) und Livius (als Beigeordneter, man könnte seine Funktion als „Beiwagerl“ bezeichnen) waren langsam eine große Hilfe bei der Regierungsarbeit, wenn man das so nennen kann. Dem Kaiser war‘s recht – er war manchmal so richtig müde. Arminia schloss sich der Ansicht an.

Sie waren auf den Geschack des „Dulce nihil“ („Süßes Nichtstun“) gekommen.

Dafür drehten Livia und der Angetraute so richtig auf – Novum opus vigoris plenus est“ („Neues Werk ist voller Eifer“). Sie reformierten den Staatsapparat die Beamten gingen überraschenderweise mit, sodass sie es wagen konnten, etwas Größeres in Angriff zu nehmen. Der alte Adel war längst abgeschafft – sein Reichtum allerdings nicht. Die Senatoren hatten ausgedient und waren bloß Ja-Sager im Dienste des jeweiligen Herrschers.

Die Beamten waren in Wahrheit die neue herrschende Klasse – im Auftrag des Kaisers und durch ihn, mit ihm und in ihm, wie man so schön sagt. Die Beamten waren sozusagen der verlängerte Arm des Monarchen – das hatten sich Livia und Livius fein ausgedacht. Den Beamten war es so ganz recht. Sie blieben im Hintergrund, während ein Anderer als Galionsfigur jegliche Blicke auf sich zog. Sie begnügten mit der Tatsache, dass, wenn schief laufen würde, genau derselbe Andere den Kopf hinhalten musste.

Aber da zeigte sich, dass sie die Rechnung ohne Wirt gemacht hatten.

„Der wahre Kaiser bin noch ich, da konnten sie machen, was sie wollten. So lange ein Funken Verstand in mir ist, werde ich dieses Prinzip hochhalten: Ich bin der wahre Regent – dann kommen mit einem gewissen Abstand, die Kronprinzessin und ihr Mann, die sich dieses Schema ausgedacht haben (das im Grunde nicht schlecht ist) und, in einem weiteren Abstand, die Beamten. So soll es sein!“

Arminia assistierte ihm eifrig, dass die Bäume Livias nicht in den Himmel wachsen sollten, wie sie sich ausdrückte. Sie räumte ein, dass diese Idee gut sein würde – aber in der richtigen Reihenfolge. „Du hast noch genug Zeit, Deine Pläne zu verwirklichen!“, sagte sie zu Livia.