DER IMPERATOR – Leseprobe 13
SIEBENUNDDREIßIGSTES KAPITEL
Wieder zu Hause im Landgut von Egnatia Mariniana. Gallienus ließ es sich wieder gutgehen. Er hatte nur Augen für Egnatia, dem Himmel sei‘s geklagt – Arminia war für‘s erste Geschichte. Er half ihr, die Haut ihres Mannes würdig im Mausoleum der Familie, das sich außerhalb der Villa befand, zu bestatten. Damit war das Kapitel für sie endlich abgeschlossen.
Dann blickte sie ihn so merkwürdig an. „Ich weiß, wie ich anfangen soll -“
Sie zögerte lange.
„Ich sag‘s einfach unverblümt: Du hast Dir eine Belohnung verdient – Du darfst mit – Deiner Mutter – schlafen -“
Gallienus jubelte – Egnatia hatte seine geheimsten Wünsche erraten, oder aber die geheimen Wünsche Egnatias, wer wusste das schon so genau!
Sie schliefen miteinander. Dann ruhten sie. Nach einer Weile schliefen sie miteinander…
Und so ging das weiter. Egnatia hatte, bis ein wenig Selbstbefriedung, enthaltsam gelebt. Umso entlud sich nunmehr die angestaute sexuelle Appetenz. Dass ihr Sexualpartner ihr eigener Sohn war, spielte eine zunehmend nur eingeschränkte Rolle. Das soll aber abwertend klingen – es war ihr stets bewusst, dass es ihr eigenes Kind war. Der Sohn, den sie Arm gehalten hatte, der sie – bei zunehmender Pubertät – auch enttäuscht hatte. Der Sohn, der sich mit wachsender Entfremdung von ihr zurückgezogen hatte – und jetzt war alles, wie es früher gewesen war. Oder bildete sie sich das ein, und das war nur ein totales Missverständnis.
Sie wusste es nicht und wollte es nicht wissen – nur genießen, in den Tag hineinleben.
Gallienus sagte: „Ich muss Dir meine Zweifrau (die erste habe ich verstoßen), eine markomannische Prinzessin, Arminia, die ebenfalls mein Herz erobert hat – wie mein Schatz!“
ACHTUNDDREIßIGSTES KAPITEL
Und dann kam Gallienus wieder, um nach dem Rechte zu sehen – mit seiner Mutter im Schlapptau. Sie hatte sich für diesen Auftritt recht schön gemacht. Mit Livius‘ Eltern konnte sie Schritt halten, waren diese für ihren Geschmack zu bieder. Arminia war ihr, jedenfalls vom Aussehen, nicht aber vom Alter her, ebenbürtig. und Livia war für sie unerreichbar – aber das ging auch den meisten der Übrigen so. Insgesamt also ein positives Bild, das sie da bot. Sie brauchte sich keinesfalls genieren.
Die Eltern von Livius ließ sie gleich links liegen, nicht bösartig zwar, aber die waren ihr zu blöd. Mit Arminia ergab sich das folgende Gespräch: „ich freue mich wirklich, Dich endlich kennenzulernen! Warum hat sich das nie ergeben – das war sein Werk, nämlich Gallienus‘!“
„Ich lebe sehr zurückgezogen!“, war die Antwort – fast entschuldigend. „Mit mir macht er das ständig – ich habe ihn schon ewig nicht mehr gesehen!“ – Sie vergaß, zu erwähnen, dass kürzlich ein „intensiver“ Kontakt stadtgefunden hatte. Das blieb besser ihrer Beider Geheimnis.
„Ich habe gehört, dass Du dir ungeheure Verdienste erworben hast, auf diplomatischen Gebiet. Mir war es leider nicht vergönnt, meine Fähigkeiten, die ich zweifellos in der Kunst der Diplomatie hatte, auszunützen – mein Mann war strickt dagegen!“
„Was wäre gewesen, wenn die Verhandlungen mit den Persern Du geführt hättest statt Valerianus?“
„Das werden wir nie erfahren!“
NEUNUNDDREIßIGSTES KAPITEL
Livia war wütend auf Gallienus, nicht weil er die Genialität von ihrem Vorgehen während der Zeit seiner Abwesenheit (von der manche in Rom annahmen, dass sie endgültig sei) anzweifelte, sondern weil durch er seinen Coup – der in‘s Römische Reich führte – alles durcheinander gebracht hatte.
Die Regentin hatte einem äußerst komplexen Arrangement zugestimmt, demzufolge der König von Armenien, dem die Römer und die Perser einigermaßen vertrauten (wenn sie nicht gegen ihn im Krieg lagen), die Schiedsrichterrolle einnahm. Die Verhandlungen verliefen insofern mühsam, als die beiden Delegationen, die im Prinzip nichts miteinander zu tun haben wollten, aber ihren Auftrag zu Ende führen mussten.
Und das spielte so, dass der armenische König hin und her, von einem Raum in den anderen, zu laufen hatte (bei Herrschern ist eher „sich begeben“ der Ausdruck). Eine an sich unbequeme und für Boten gefährliche Art der Kommunikation, die erschwert wurde die jüngsten Ereignisse.
Livia machte Gallienus Vorwürfe – er aber blieb hart: „Ich habe es nur für Deine Großmutter gemacht! Das geht Dich gar nicht‘s an, rein gar nicht‘s! Was würdest Du denken, wenn Dein Livius ausgestellt wäre, noch dazu in dieser entwürdigteren Form: Als Haut öffentlich präsentiert in einem Tempel! Klar, dass sie sich sehnlichst wünscht, ihn im hiesigen Mausoleum zu bestatten!“
Die angesprochene Tochter reagierte – nicht so wie erwartet: „Das kümmert mich einen Scheißdreck (man verzeihe mir den Ausdruck)! Ich habe Tag und Nacht gearbeitet ein Engagement mit den Persern und das war schwer genug!“
„Ich bewundere Deinen Eifer in der Angelegenheit! Aber ich muss darauf bestehen, dass Du auch meinen Standpunkt verstehst und wenn nicht verstehst, dann akzeptierst!“
Die Beiden gingen bös auseinander.