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DER IMPERATOR – Leseprobe 14

VIERZIGSTES KAPITEL

Das Projekt „Livia“ lief holperig und schleppend an, wegen der Umstände an sich – zusätzlich sah sich die Regentin mit Spionagevorwürfen konfrontiert. Es fiel Livia in Kenntnis des wahren Tatbestandes schwer, den Coup zu leugnen, so ehrenvoll die Motive auch immer gewesen sein mochten. Im Grunde ihres Herzens bewunderte sie Gallienus und seine Mutter für ihre Aktion – für die gefährliche Reise in Persische Reich, für das noch gefährlicheres Betreten des Tempels, für die gefährlichste Abnahme der „sterblichen Überreste“ von Valerianus und die anschließende Wiederkehr in‘s Römische Reiich.

Die Regentin brach dessenungeachtet mit ihrem Vater!

Als ihr klar wurde, was sie getan hatte, drängte sie den Kaiser zu einer klärenden Aussprache in‘s sein Landgut, das mit dem größten Luxus ausgestattet war – ähnlich dem von Egnatia Mariniana. Gallienus stimmte zu.

Die Beiden krachte über kurz oder lang wieder zusammen – zu groß waren die Differenzen. Gallienus sagte schließlich: „Wenn Du willst, stelle ich meine Herrschaft ruhend – ich werde dann nur noch nominell der Kaiser sein und Du die Regentin, die die administrative Gewalt innehat. Du kannst machen, wie es Dir behagt – Du musst auch die Konsequenzen Deines Handelns allein und Wenn und Aber tragen!“

Livia war überrascht und zugleich beunruhigt darüber, dass er so schnell die Segel gestrichen hatte.

Die Regentin war misstrauisch gegen soviel Entgegenkommen. Was mochte da dahinterstecken – oder war alles nur harmlos. Sie entschied sich für erste Möglichkeit – da musste etwas dahinterstecken, sie würde schon noch draufkommen.

EINUNDVIERZIGSTES KAPITEL

Gallienus war allein. Arminia war in Sachen „Charity“ unterwegs – das hatte keinesfalls unterbrochen, eher noch intensiviert. Das war die Rache dafür, dass er sie so lange allein gelassen hatte – ja, sie hatte schlimmstenfalls sogar damit gerechnet, dass er nicht wieder auftauchte. Eine denkbar schlechte Voraussetzung für jede Beziehung!

Da hatte Gallienus die spontane Idee seine Mutter im dortigen Landgut zu besuchen. Egnatia Mariniana saß an ihrem bevorzugten Platz und sinnierte – und zwar über den Kaiser, ihrem neuerdings beliebten Gegenstand ihrer Fantasie. Und da stand wie durch ein Wunder der Angestrebte selbst an ihrer Tür.

Gallienus wusste zunächst, wie er sich verhalten sollte – aber kam Egnatia ihm entgegen, indem sie küsste, nicht wie eine Mutter ihren Sohn küsst, sondern leidenschaftlich mit einem Zungenkuss. Das war eindeutig!

„Davon erfährt niemand etwas, das musst Du mir versprechen – das bleibt unser süßes kleines Geheimnis. Selbst unter der Folter darfst Du nichts verraten!“, fügte sie lachend hinzu. – „Auf mich kannst Du verlassen – schon wegen Arminia, die ich liebe!“, sagte er. – „So soll‘s auch sein!“, bekräftigte Egnatia.

Und dann schmiedeten sie theoretische Pläne, wie sie den mannigfachen Bedrohungen, denen das Römische Reich ausgesetzt war.

ZWEIUNDVIERZIGSTES KAPITEL

Nachdem sich anderen Bedrohungen des Römischen Reichs ruhig verhielten, konzentrierte sich die Regentin auf das Persische Reich als vorerst größte Gefahr – denn die Leute dort waren so richtig heiß hinsichtlich der Schmach, die ihnen die Römer zugefügt hatten. Konkret gesagt, es waren nur zwei Personen (nämlich Gallienus und seine Mutter) gewesen – die Mundpropaganda hatte mit der Zeit, selbst in der persischen Hauptstadt Seleukeia-Ktesiphon, herausbekommen, wer den Persern da durch die Lappen gegangen war.

Umso gefährlicher war die Wut beim Feind. Das eröffnete andererseits auch die Chance, gegen einen Widersacher anzutreten, dem der Furor in‘s Gesicht geschrieben stand – die römischen Legionen kämpften in der Regel zwar leidenschaftslos, aber durchaus effizient. Livius, der mittlerweile zum Feldherren ernannt worden war (übrigens eine bemerkenswerte Karriere, vom Centurio zum Feldherren, der Livia ihre Hand im Spiel hatte), führte die Truppen an.

Ihm gelang es, die Legionen – wie seinerzeit Macrianus und Callistus kurzfristig – nunmehr aber dauerhaft diesseits des Euphrats zu stabilisieren und die Perser auf Positionen jenseits des Flusses zu beschränken. Die berühmte „Pax Romana“, die den römischen Imperialismus mit einschoss, wurde auch dort für die nächsten zweihundert Jahre wurde der Maßstab aller Dinge. Die Römer akzeptierten die Perser als faktisch gleichberechtigt – sie waren keine Barbaren mehr wie die Germanen, sondern eine zivilisierte, fast gleich starke, fast ebenbürtige Macht.

Und Livius hatte den Grundstein für diese Entwicklung gelegt. Livia liebte ihn dafür, und dass ihrem Vater eins auswischen konnte.