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AKIKO YAMAMOTO – Leseprobe 8

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Nach Ablauf von drei Monaten waren Akiko und Sakura frei in der Wahl ihres zukünftigen Engagements. Nun ging es mit Bedacht vorzugehen. Las Vegas war die erste Adresse, die ihnen einfiel – und hier besonders „Light“, der neue Nachtclub, der in der Mandalay Bay gelegen war. Unglaubliche Lichteffekte und akrobatische Darbietungen an der Decke sorgen zusammen mit der Musik für ein fast überwältigendes Spektakel für alle Sinne.

Das musste es sein. Die Yamamoto und die Takumi wurden – da ihr Ruf ihnen vorausgeeilt war – mit offenen Armen empfangen. Man baute ihnen ein Becken mit einem Ausmaß von zwanzig Metern – die amerikanische Gigantomanie (man könnte es auch Großmannssucht nennen) schlug hier uneingeschränkt durch und entfaltete sich zu voller Größe. Die Ingenieure begnügten sich jedoch mit einem Durchschnitt von einem Meter im Quadrat. Anders wäre der ganze Kasten zu schwer geworden – soviel Realitätssinn hatten die Konstruktionäre des Apparats noch immerhin.

Soviel stand bereits jetzt fest – Akiko und Sakura würden eine Menge Dollars verdienen. Umgekehrt war eiserne Disziplin erforderlich. Da gab‘s kein „Mir ist nicht ganz wohl!“ – der US-Markt war gnadenlos und unerbittlich. Sie hatten keinen Pardon zu erwarten. Dafür sollte in Japan ein auskömmliches Dasein möglich sein, wobei der aktuelle Wechselkurs zu berücksichtigen.

Sie trainierten fleißig die größere Tiefe. Akiko hatte in freier Wildbahn eine solche Dimension schon erreicht, aber das war im Meer, nicht in den engen Verhältnissen, die hier vorherrschten. Sakura musste sich abmühen, in einen noch größeren Abgrund ihrer Freundin notfalls zu Hilfe eilen zu können. Sie hatte immer noch den Unfall vor Augen, der schief laufen hätte können. Sie übte besonders intensiv. Sie übte besonders intensiv. Sie hatte schon eine Tiefe von etwa zehn Metern erreicht – mehr schaffte sie nicht. Dann war Akiko gezwungen, sich selbst zu helfen, und zu hoffen, dass nichts passierte.

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Und dann kam erste offizielle Auftritt, dem Akiko und Sakura begierig entgegenfieberten. Die Yamamoto legte ihre Augenbinde langsam an – als besonderen Gag hatten sie sich ausgedacht, dass einer aus dem Publikum die Dichtheit des Stoffes überprüfen sollte, während sie noch am Boden waren. Dann ging‘s über eine spezielle Vorrichtung hoch in die Luft. Da krebsten sie herum – mit Rücksicht auf die amerikanischen Zuschauer und Zuschauerinnen in konventionellen Bikinis.

Sie tauchten unter. Akiko kopfüber und gleich zu einer Tiefe von zehn Metern, nachdem sie von Sakura in die richtige Position gebracht worden – sie war ja ohne Augenlicht. Sakura blieb tauchend nahe der Oberfläche. Dann kam Akiko nach oben – sie ein bisschen orientierungslos, aber sie fing sich bald.

Nach nur einem einzigen Atemzug tauchte sie wieder unter, anfangs unterstützt durch Sakura, wiederum mit dem Kopf voran, was ein gewisses Risiko darstellte. Aber sie brachte auch das zustande – sie verharrte in zwanzig Metern Tiefe regungslos, wie sie ihrer Partnerin empfohlen hatte, in ausgeatmeten Zustand. Und das zwanzig Minuten lang. Das Publikum wagte kaum, einen Mucks zu machen – es gab welche, die vermuteten, dass der Exit bereits angetreten war.

Dann wachte sie wieder auf, riss sich die Binde vom Kopf, stieg nicht zu schnell auf, um eine Dekompression zu vermeiden. Oben angekommen, tat sie einen tiefen Atemzug, nur um gleich wieder kurzfristig unterzutauchen, nur zur Übung. Das war‘s dann wohl für diesmal. Sakura war schon an der Oberfläche – Akiko folgte ihr unmittelbar nach.

Und so ging das dann viermal am Tag, von Montag bis Sonntag durchgehend, die letzte Vorstellung begann um drei Uhr morgens – in Las Vega herrschen andere Sitten. Da blieb nicht viel Zeit für ihre persönlichen Bedürfnisse, dennoch fanden sie die Gelegenheit, um Sex zu haben – und sei es zu Lasten des Schlafes. Sie häuften eine Unmenge an entgangener Erholung auf. Aber das war ihnen gleichgültig – sie wollten leben.

Wobei Akiko schlimmer dran als Sakura, denn von ihr wurde wesentlich mehr Einsatz gefordert.

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Während des zweiten Monats von Akikos und Sakuras amerikanischen Engagements war Lee Stevens auf der Bildfläche erschienen auf der Suche nach seiner Tochter Agatha Collins. Am Cape Kadowakizakia war er schon gewesen – das war relativ leicht. Auch die Bekanntschaft von Agatha mit Akiko Yamamoto war kein Geheimnis geblieben – sie hatten gemeinsam einen Fall gelöst. Später hatte Akiko den Dienst bei der Tokioter Polizei quittiert und war der Tochter nach England, konkreter nach Brighton, gefolgt.

Dort war das frühere Elternhaus der Stevens, verheiratete Collins (mittlerweile hatte sie sich scheiden lassen, aber ihren neuen Namen beibehalten). Lee Stevens wandte sich wiederwillig an Charlie, den er wie gewöhnlich leicht illuminiert antraf. Und tatsächlich hatte das versoffene Schwein Agatha gesehen – rein zufällig und unbeabsichtigt. Dann verlor sich die Spur. Lee war frustriert – immerhin hatte er herausbekommen, dass seine Tochter in der Gesellschaft einer japanischen Frau namens Akiko war. Ein Hinweis – mehr nicht.

Sodann, nach langer Zeit – er wollte schon die Hoffnung aufgeben, über das weitere Schicksal seines Kindes mehr erfahren zu wollen -, las er quasi aus Versehen im Internet: „Akiko Yamamoto und Sakura Takumi – das Highlight von Las Vegas!“

Lee Stevens fuhr auf‘s Geratewohl nach Las Vegas – glücklicherweise hatte Akiko ihren Namen beibehalten und sie war‘s auch. Sie trafen sich in der Lobby des „Light“ (es war mittlerweile dreiviertelfünf morgens, und demsprechend abgekämpft war Akiko). Sie ließ sich in den Fauteuil fallen, total erschöpft. Sakura war dabei – sie gestattete der Partnerin und Geliebten nicht den geringsten Spielraum.

Akiko schilderte Lee bereitwillig ihre Erlebnisse mit Agatha vom Fall in Atlanta, Georgia, bis zu jenem Fall des Staatssekretärs im ägyptischen Verteidigungsministerium, der für die Collins tödlich geendet hatte. Lee stockte der Atem…

Nach langer Zeit raffte er sich zu der naheliegenden Frage: „Wo ist die Leiche meiner Tochter geblieben?“ – „Diese wurde kurioserweise auf Staatskosten der ägyptischen Regierung in ihre Heimat nach England, nach Brighton, überführt. Ich habe sie schon einmal besucht.“, sagte Akiko. – „Warum habe ich davon nichts gewusst!“

Die Yamamoto hatte keine Antwort darauf.