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AKIKO YAMAMOTO – Leseprobe 12

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Und ebenso wundersam war, dass Sakura und Natsuki im selben Hotel abgestiegen waren wie Yamamoto und Stevens. Sie begegneten einander um halb fünf Uhr morgens (wenn das die Eltern Natsukis gewusst hätten – aber sie hätten selbst das toleriert). Die Lehrerin und ihre Schülerin waren intensiv miteinander beschäftigt. Sie herzten und küssten sich, dass es eine Freude war. Oder zumindest taten sie so. Sakura hatte von ihrem früheren Verhältnis erzählt und darum strengte sich Natsuki besonders an, um die Geliebte nicht enttäuschen.

Die Dreizehnjährige wuchs über sich selbst hinaus, wollte Sachen machen, von den sie bis jetzt keine Ahnung gehabt hatte, instinktiv, nur um den Erwachsenen zu zeigen, wozu sie fähig war. Lee blickte überrascht auf sie – zum Teil amüsierte ihn ihre Performance. Er dachte, dass sich ein neues Talent zeigte – und wenn es nicht echt war, so war es hervorragend gespielt.

Als Natsuki begann, sich auszuziehen (zum Glück waren zu dieser frühen Stunde keine anderen Gäste anwesend), klatschte Lee laut Beifall. Die Schülerin ließ dadurch aufstacheln und ihre restliche Kleidung abzulegen. Da stellte sich heraus, dass sie sich ihrer Formen keineswegs schämen brauchte. Der letzte verbliebene Nachtkellner stimmte in den Applaus Lees ein.

„Endlich ist was los im faden Spätgeschäft!“, sagte der Mann.

„Und Du – wirst Du auch in die Ovationen einsteigen?“, konterte Stevens seiner Partnerin. – „Mit Vergnügen – das muss ich wohl, bei einer so jungen Darstellerin, die noch dazu hochprofessionell agiert!“, sagte Akiko.

Sakura war frustriert. Die ganze Angelegenheit verlief ganz und gar nicht nach ihrem Geschmack – plötzlich stand Natsuki im Mittelpunkt des Interesses. Sie befahl ihrer Schülerin, sich wieder anzuziehen, und empfahl sich mit ihr ohne ein Wort des Grußes. Akiko und Lee schauten entgeistert, wohl aus unterschiedlichen Gründen.

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Akiko und Lee waren zu ihrer normalen Tätigkeit zurückgekehrt. Die Episode, die sie Beide gleichermaßen amüsiert hatte, war aus ihrer Sicht Episode geblieben. Sie spulten ihr Programm trotz der stets immanenten Gefährlichkeit routinemäßig ab. Selbst, was Akiko in der Vergangenheit insgeheim als Schwachpunkt des Geschehens erblickte, nämlich ihren Partner, sah sie mittlerweile als immenses Plus: Immerhin konnte er sie aus großer Tiefe problemlos retten – anders als dies bei Sakura der Fall gewesen war.

Da war noch etwas: Akiko liebte Lee wirklich – das war keineswegs ein Strohfeuer, das bald wieder erlosch. Zum Glück brauchte er auf Grund seines vorgerückten Alters wenig Schlaf, sonst wäre er infolge der ständigen Beanspruchung in Schwierigkeiten geraten. Er hatte eine spezielle Meditationstechnik entwickelt, die es ihm erlaubte, seine Erektion für mindestens eine Stunde lang aufrecht zu erhalten – allein durch die Kraft seiner Gedanken.

Akiko genoss diesen Umstand besonders – sie begrüßte es außerordentlich, wenn sie genug Zeit hatte, um ihre Lust adagissimo zu steigern. Sie war vollauf zufrieden – sie konnte sich gar keinen anderen Partner mehr vorstellen. Was hatte sie in einer lesbischen Beziehung eigentlich gesucht (da tat sie ihrer Vergangenheit Unrecht), ganz so arg war‘s nie gewesen. Egal, sie lebte in der Gegenwart!

Außerdem war er ein blendender Unterhalter. Wann immer sie Beide dazukamen – und das war nicht so häufig der Fall. Er schrieb einen Roman, über den er sich bedeckt gab – einzig der Titel war bekannt: „Sugardating“!

Ihr Engagement in Las Vegas neigte dem Ende zu.

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Sakura und Natsuki waren aus der großen weiten Welt in das beschauliche Ito zurückgekehrt und ihre Tätigkeit wiederaufgenommen – Sakura als Lehrerin und Natsuki als ihre Schülerin. Ganz stimmte der Vergleich allerdings nicht, denn nachts lebten als Geliebte zusammen, wobei Natsuki auf Grund von kürzlich gemachten Erfahrungen immer wilder wurde, sodass es Sakura schon manchmal zuviel erschien. Aber sie konnte die Jüngere nicht aufhalten.

Natsukis Eltern waren ganz stolz über die schulischen Erfolge der Tochter – sie war mit Abstand Klassenbeste. Vater und Mutter sahen über manches hinweg, so die Tatsache, dass ihr Kind letztlich als Lustobjekt herhalten musste. Dass die Beziehung inzwischen gekippt war, kriegten sie nicht mit.

Von da an dominierte „das Kind“ die Verbindung zwischen ihnen Beiden, und Sakura hatte das Nachsehen, was ihr gar nicht gefiel. Sie hatte auch keine Handhabe, was das Lernen betraf – Natsuki spielte sich mit dem Stoff, sei es nun Japanisch, Mathematik oder was es sonst für Gegenstände gab. Sie musste am Ende gar nichts mehr büffeln, nur in der Stunde gut achtgeben, dann behielt sie den Inhalt mit ihrem eidetischen Gedächtnis unmittelbar.

Das wurde ihr mit der Zeit entschieden zu langweilig und sie suchte ein anderes Betätigungsfeld. Und kam sie früher oder später auf das Thema „Striptease“, unterstützt durch den Beifall, den sie vor kurzer Zeit am frühen Morgen in Las Vegas erhalten hatte. Sie hatte – wie erinnerlich – den letzten Fetzen abgelegt und sich tief in ihr Inneres blicken lassen.

Da galt es (mit Hilfe von Sakura, der schon alles egal war) in Tokio ein geeigneten Club zu finden, der „Kinderarbeit“ ermöglichte, wenn die „Bébés“ nur gut entwickelt waren.