SUGARDATING – Leseprobe 1
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Sugardating ist bekanntlich ein Verhältnis auf Zeit, bei dem zumeist jüngere Frauen von zumeist älteren, wohlhabenden Männern für Sex und Intimität bezahlt werden. Sind das Beziehungen – oder ist das Prostitution? Nennen wir es lieber auf Französisch „L’Amour fou“. Das trifft‘s wohl besser!
Carlos Fernando Monteiro Lindenberg war ein soignierter Grandseigneur der alten Schule. Wieso er sich in Hanna Hevelius, die wesentlich jünger war als er, vergaffte, blieb für lange Zeit ein Rätsel – ihre zweifellos vorhandene Schönheit wird‘s wohl nicht ausschließlich gewesen sein.
Es war diese eigenartige Faszination, die – unabhängig vom Altersunterschied – von ihr ausging. Hanna war zweifellos ein Abklatsch von Carlos eigenen Leben – das stellte er überheblich fest. Aber Hanna war mehr als das – was Carlos verborgen geblieben schien. Und das war in Ordnung. Jedenfalls sollte jede Frau ein kleines Geheimnis haben (um diesen Kalauer hier zu wiederholen).
Immerhin stimmte diese Redewendung in diesen Fall: Hanna Hevelius war auf Carlos Fernando Monteiro Lindenberg angesetzt worden, um seine mehr als düstere Existenzgrundlage aufzudecken. Dabei hatten die Auftraggeber es Hanna offiziell freigestellt, wie weit sie gehen sollte, inoffiziell erwarteten die Agentenführer, dass sie auf‘s Ganze ging.
Das beinhaltete die vollkommene Unterwerfung unter dem Willen des Zielobjekts, wenn auch nur zum Schein und ohne dass Carlos etwas davon, was wieder die vollkommene Unterwerfung unter dem Willen des Zielobjekts bedingte. Es war kompliziert genug und stellte eine Herausforderung an Hannas Integrität dar.
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Dabei hatte das Ganze harmlos begonnen. Hanna saß in einer Bar im ersten Bezirk (wir reden hier von Wien), scheinbar auf der Suche nach „Anschluss“. Sie aber nur Carlos im Auge. War sie in einem falschen Lokal? Nein, die Auftraggeber hatten ihr das richtige genannt.
Um nicht aufzufallen und die Rolle unvergleichlich zu spielen, flirtete sie mit einem ganz anderen Gast – sie wäre notfalls mit ihm in‘s Bett gegangen (um ihre Show weiter fortzusetzen), wäre da nicht ihr eigentliches Zielobjekt aufgetaucht. Nun war sie im Dilemma. Das löste sich ganz einfach auf, als nämlich der andere „Kunde“ sagte: „Ich hätte noch weiter mit Dir ‘rumgemacht, aber ich muss zu meinem größten Bedauern jetzt gehen. Vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder!“
Hanna fiel ein Stein vom Herzen. Nun konnte sie sich Carlos widmen, aber sie würde den Teufel tun, um ihm das anmerken zu lassen – sie blickte konsequent in die andere Richtung, gelangweilt noch dazu. Lang musste sie sich nicht gedulden, da baggerte er sie von sich aus an.
„Guten Tag, mein schönes Kind!“ Das war wohl dümmste und antiquierteste Anmache, die ihr seit langen untergekommen war. Entsprechend ignorierte sie zunächst seine Präsenz – tat so, als wäre er Luft für sie. Das ärgerte ihn natürlich maßlos – bis zur Weißglut. Carlos erzwang mit Gewalt ihre Aufmerksamkeit, indem er direkt in ihre Augen sah. Sie wandte pikiert ab.
„Da müssen Sie sich schon mehr, und etwas Besseres einfallen lassen!“, murmelte sie beiseite, als wäre er gar nicht da.
3
Es war mittlerweile ein Spiel zwischen den Beiden, nämlich Carlos Fernando Monteiro Lindenberg und Hanna Hevelius, geworden. Sie belauerten sich gegenseitig genau und sahen sich genauer an, was jeder von Ihnen vorhatte. Mit der Zeit verliebten sie sich ineinander, Carlos sowieso und Hanna war sich zunehmend nicht sicher, ob es nur der Auftrag war oder ob da mehr dahinter steckte.
Sie schliefen erstmals miteinander, und es war durchschnittlich. Von Hanna sowieso – sie war sich nach wie vor unsicher, ob sie eine Order befolgte, oder ob ein echtes Gefühl dahintersteckte. Carlos wiederum war so nervös, dass er die Sache um ein Haar vergeigt hätte, was ihm seit ewigen Zeiten nicht passiert war. Nach einer Gewöhnungsphase trat bei Beiden eine Verbesserung der sexuellen Aktivitäten ein.
Was Hanna betraf, dachte weniger an‘s Geschäft – sie schaltete ihre Skrupel ab und ließ sich ohne Weiteres in diese Situation hineinfallen. Was Carlos betraf, hatte er seine ursprüngliche Festigkeit wenigstens zu Teil wieder.
Sie gingen vermehrt vertrauter mit den Gegebenheiten um, wobei Hanna eine größere Reserviertheit in den Tag als Carlos – eingedenk der Order, die sie übernommen hatte. Sie fühlte sich eigentlich ganz wohl, mit Zwischending aus offizieller und privater Mission. Und schließlich war Carlos ein stattlicher Mann mit seinem glattrasierten Kopf und seiner schlanken hochaufgerichten Gestalt, der man die Jahre kaum anmerkte.
Es gibt für Hanna schwerer zu erfüllende Mandate – zum Beispiel, wenn der „Klient“ (nennen wir es einfach so) abgrundtief häßlich und kleiner war – auf die Größe legte sie kurioserweise einen besonderen Wert. Und sie nahm auch acht auf sein Gemächt. Es machte ihr mittlerweile nichts aus, zu jemanden in‘s Bett zu steigen (eine Folge langen und intensiven Trainings). Aber sie wollte etwas spüren, wenn sie sich schon der Mühe unterzog.