Main menu:

SUGARDATING – Leseprobe 2

4

Der erste Zwischenbericht an Hannas Auftraggeber war fällig. Und da hatte sie nichts Entscheides aufzuweisen – dementsprechend unzufrieden war ihr Agentenführer: „Was haben Sie bis jetzt herausgefunden – nicht viel, oder?“

Sie beschloss, mit offenen Karten zu spielen. „Ich habe – mit der gebotenen Vorsicht – den ersten Kontakt aufgebaut. Sonst bin ich tatsächlich noch nicht weitergekommen.“ Dass sie mit Carlos schon probeweise geschlafen hatte, verschwieg sie.

„Tempo, Tempo!“, sagte der Mann. „Wenn Sie mit ihm schlafen müssen – dann bitte sehr!“

Schon geschehen, dachte Hanna. Dass es da um erstes intimes Kennenlernen (nennt man das neuerdings so?) ging, war für die Öffentlichkeit nicht bestimmt. Da tasteten sich Carlos und sein Date vorsichtig aneinander hoch, bis sie einem ersten, noch unvollkommenen Quasi-Höhepunkt erreichten. Sie wurden besser, je intensiver sie sich aufeinander einließen – echt oder gefakt, das war ziemlich gleichgültig. Hanna war dabei insofern im Vorteil, als es ihr locker möglich, einen Orgasmus vorzutäuschen, während es bei Carlos hieß – Sekt oder Selters, wenn man weiß, was gemeint ist.

Es war eine Gelegenheit, wo „Sekt“ angesagt schien, als die Zielperson in ihrem Liebesrausch Geheimnisse ausgeplaudert hatte. Nun bestand die Möglichkeit, erstmals konkrete Ergebnisse liefern zu können.

„Tempo, Tempo!“, sagte der Agentenführer enthusiastisch. „Weiter so – und rasch und mehr…“

5

Ganz ehrlich spielte Hanna nicht gegen ihre Auftraggeber. Sie behielt als Sicherstellung einen letzten Rest zurück. Sie fühlte sich insofern aus dem Schneider, als die Mandanten sicher keine Parallelorder vergeben haben dürften.

Worin bestanden aber die Machenschaften, die Carlos Fernando Monteiro Lindenberg zur Last gelegt wurden. Erstens, und das war noch der geringere Teil seiner Verfehlungen, dass sich das Ganze abseits des Fiskus abspielte – man dazu auch schlicht Steuerhinterziehung sagen. Und zweitens, und das war eine gewichtiger Aspekt, wurde hier mit mafiösen Mitteln gearbeitet, was fallweise zu äußerster Brutalität führte.

Und Carlos mittendrin, obwohl man sich das auf den ersten Blick nicht vorstellen konnte. So ein augenscheinlich nobler Gentleman – das konnte man sich nicht vorstellen, und dennoch war es wahr. Realität war, dass er schlichtweg zwei Gesichter besaß. Eben jenes Soignierte, dann kam aber die Grimasse des Mafiabosses, der im stillen seine Fäden zog.

Hanna begann, plötzlich Beide zu lieben – sie gestand sich überhaupt erstmals ein, dass sie echten Sex mit ihnen Beiden haben wollte. Wenn das Doppelgesichtige nie passiert wäre, hätte sie ihre Liebe womöglich nie einbekannt, ja, sie hätte ihre Passion, die zweifellos unterschwellig vorhanden war, nie zum Erwachen gebracht hätte. Und es wäre weiter nur der unpersönliche Geschlechtsverkehr geblieben – jedenfalls von ihrer Seite.

6

Carlos war der in ganzen Breite der Empfindungen (die von Hanna jetzt entdeckt worden waren) nicht so leicht zu erfassen. Er entzog sich einer einfachen Betrachtungsweise – wer war er nun wirklich, der kultivierte Ansprechpartner oder der zwielichtige Schurke? Oder etwas ganz Anderes, für Hanna (noch) Unbekanntes?

Jetzt wurde es fürwahr interessant für die Hevelius. Anders wäre es die reine Geschäftsbeziehung geblieben – sie sagte sich innerlich von ihren Auftraggebern los und gedachte, an diese in Zukunft bloß Fake-News zu versenden beziehungsweise ging sie es schlauer an: Sie plante ihre Klienten mit Hilfe von Halbwahrheiten durcheinanderzubringen und zu verwirren.

Hanna verpartnerte sich ohne Umschweife und mittlerweile ohne Bedenken mit Carlos – sie hatten sich endgültig gefunden. Hanna hatte das Ganze in ein Gedicht verarbeitet:

Zünde ein Streichholz an und entzünde mich
Du bringst mich zum Schmelzen
Mein Fieber wartet
Es ist nicht nötig, mir den Grund zu sagen
Weil Du weißt, dass ich möchte, dass Du…

Hier endete das Poem schlagartig, um dem Orgasmus Platz zu machen, der sie Beide überkam. Schweigen – und lautes Atmen –

Als sie wieder beruhigt hatten, eröffnetete ihr Carlos seinen Plan: „Ich werde Dir so schöne Dinge zeigen, wie Du sie noch in Deinem Leben gesehen hast. Wunder über Wunder – dazu müssen wir allerdings verreisen.