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SUGARDATING – Leseprobe 5

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Die Beiden fuhren nach Shanghai – Zollkontrollen unterblieben. Der hat überall seine Leute sitzen, dachte Hanna. Als Carlos sich in gepflegtem Wu-Dialekt (eine Abart ist Shanghaiisch) mit dem Grenzsoldaten unterhielt, hatte sie den Verdacht, dass er diese Sprache als Kind gelernt haben mochte.

Wie wahr diese Annahme war, zeigte ihr ein Blick auf ihr IPad – das hatte sie bis jetzt nie gemacht. Sie gab „Carlos Fernando Monteiro Lindenberg“ ein und landete einen Treffer. In Carlos Biografie stand unter anderem ein Eintrag „Volksschule: Privatschule Shanghai“. Hier also hatte er Kantonesisch gelernte, nahezu spielerisch und ohne große Mühe.

Bevor die Eltern wieder weitergezogen waren und er musste schon wieder eine neue Sprache, nämlich das Englische, lernen. Vater und Mutter lebten vorwiegend in London, wo der alte Herr ein mächtiges (der Mafia nicht unähnliches) Imperium aufgebaut hatte. Daheim wurde Deutsch gesprochen – sofern das in einem polyglotten Haushalt überhaupt einen Sinn hatte.

Die Eltern führten Carlos langsam in die Geschäfte des Vaters ein, wobei die Mutter – immerhin eine geborene portugiesische Adelige, namens Fernanda Monteiro de Cruz de Castro – sich nicht entblödete, den ihren Mann bei seinen Aktionen zu unterstützen. Und zwar mit einer gewissen Schamlosigkeit, die alles überstieg, was Gott verboten hat – nur, dass sie ihrem Herren und Meister gefällig war.

Nun waren Beide schon lange tot. Sie waren – so banal das klingen mag – bei einem Autounfall um’s Leben gekommen. Nur ihre Tradition lebte durchaus fort – indem sich Carlos (wie sein Vater) wieder eine weitaus jüngere Frau gesucht hatte. Das heißt, so richtig verheiratet waren sie nicht – es war bis zu ihrem Ende eine „wilde“ Beziehung. Aber das tat ihrer Liaison keinen Abbruch, eher im Gegenteil – das verstärkte sie.

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Lindenberg war in seinen sehr jungen Jahren auf sich gestellt – und das rief natürlich Neider auf den Plan, die ihm seinen Besitz (für seinen Vater eine Selbstverständlichkeit) streitig machen wollten. Andererseits hatte er sich auch geändert. Er war nicht immer der soignierte Gentleman gewesen, der einem später entgegengetreten war – ganz und gar nicht. Er räumte unter seinen Gegnern auf, wobei er selbst vor Mord nicht zurückschreckte. Er nahm fallweise auch persönlich die Exekution vor – da hatte er nicht die geringste Hemmung. Bald hatte seine wichtigsten Feinde ausgeschaltet, die Übrigen wagten es nicht mehr, ihn anzugreifen und kuschten.

Zurück in die Gegenwart!

Da stellte Carlos fest, dass alles seine Ordnung hatte, und zwar durchaus in seinem Sinne. Ein spezifischer Einsatz – wo Hanna ihre sexuellen Talente einbringen musste – war nicht erforderlich, obwohl ein schnuckeliger kleiner Chinese ihr allemal in‘s Auge gestochen hatte, aber das behielt sie besser für sich. Wer weiß, vielleicht war er in Wahrheit ein Perverser, vielleicht verbarg sich unter der schnuckeliger Oberfläche ganz etwas anderes.

Sie wollte es unbedingt herausfinden, was es war – allerdings nicht hier und nicht jetzt. Als Carlos in einer ganz anderen Sache unterwegs war – es ging um einen besonders großen Deal mit Erdöl, und da er schon einmal hier war, konnte das Geschäft in seinem Beisein abgewickelt werden. Die chinesischen Partner waren entzückt (oder zumindest taten sie so) über seine Anwesenheit und über das Gelage, das hinterher stattfand. Chinesisches Bier (meistens Tsingtao) wurde gereicht, später auch Hochprozentigeres. Die Stimmung kippte zu einer ausgedehnten Orgie. Lediglich Carlos war nüchtern. Er hatte am Alkohol nur genippt – das war in dem allgemeinen Trubel niemanden aufgefallen. Er behielt gerne den Überblick.

Währenddessen angelte sich Hanna Cheng, so hieß ihr Goldstück. Leider konnte er nur Chinesisch – aber das war für den punktuellen Zweck, für den sie ihn benötigte, egal.

„Ní xiáng hé wó yíqí shuì ma?“, sagte Cheng.

Sie erfasste instinktiv, was er meinte. Der kleine Chinese fragte, ob er mit ihr schlafen wollte.

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„Was ist Dir da eingefallen?“, sagte Carlos, halb im Spaß, halb im Ernst, Hanna, als sie ihren „Fehltritt“ brav gebeichtet hatte, inklusive den kompletten Vollzug.

„Was hast Du an diesem Cheng gefunden?“ – „Er ist so schnuckelig!“ – „Wie habt Ihr Euch unterhalten?“ – „Eigentlich gar nicht – er hat sich auf mich gestürzt, und dann ist die wilde Jagd dahingegangen!“

„Ich vergönne das gelegentliche Vergnügen, mit einem jüngeren Mann herumzuvögeln! Nur denke dabei an mich – und meinen Ruf! Lass‘ Dich nie mit Untergebenen im weitesten Sinne ein – nur wenn ich das ausdrücklich anordne!“, er blickte versonnen an. „Und das Übrige – ich bitte Dich, ein bisschen Maß zu halten!“

Hanna war ernsthaft wütend: „Ich vögle (wie das nennst, ohne nachzudenken) nicht herum! Ich konnte mich das eine Mal nicht zurückhalten!“

Sie beruhigte sich etwas: „Scheiße, ich liebe Dich nur allein!“ Sie fiel ihm um den Hals und hatten den besten Sex seit langem.

Als Carlos und Hanna erschöpft dalagen, bekam er einen Lachkrampf: „Und wie war ich – zufriedenstellend?“ Er wusste, dass das nicht so war – es war ihm ein Meisterwerk gelungen! Trotzdem hänselte sie ihn: „Dessenungachtet: Er war so schnuckelig!“

Carlos hänselte zurück: „Lass‘ das nicht seine Vorgesetzten hören – Cheng wäre unten durch. Wegen seiner Schnuckeligkeit!“