Agatha Collins – Abenteuer im Outback
Agatha Collins hatte (mit Akiko Yamamoto) einen Auftrag im australischen Outback angenommen. Dazu mussten die Beiden Perth anfliegen und dann in das Territorium des Noongar-Stammes vorrücken. Eine gewisse abgeschiedene Gruppe dieses Stammes lebte noch wie in der Steinzeit – sie mussten sich anpassen.
Als erstes war es erforderlich ihren Schmuck abzulegen (er wurde als entbehrlich angesehen, teilweise als obszön), zweitens mussten sie ihre Kleidung ausziehen (sie bekamen dafür eine Art Lendenschurz) und drittens stand ihre Hautfarbe einer erfolgreichen Integration in den Noongar-Stamm im Weg – wobei sich Akiko noch leichter tat als die extrem hellhäutige Engländerin. Das würde sich beim australischen Klima rasch ändern, wenn unter Schmerzen im Anfang der Prozedur.
Agatha und Akiko würden eine Zeitlang im Camp verbringen müssen, ehe sie sich ihrer eigentlichen Mission widmen konnten. sie sich akklimatisierten, sahen sie sich im Lager um – die Leute waren reserviert, aber nicht unfreundlich. Ein halbwüchsiges Mädchen namens Alinta wagte sich aus der Deckung und fragte im gebrochenen Englisch: „Warum Ihr so anders als Noongar?“
„Wir sind genau wie Ihr Menschen, in Eurer Sprache „Koori“, was „Menschen“ bedeutet!“, tat Agatha die zweifellos bestehenden Andersartigkeiten ab. „Was willst Du wissen?“ – „Alles!“, war die Antwort.
Wo anfangen?
Die Unterschiede zwischen den Kulturen waren einfach zu gravierend – von der Steinzeit zur modernen Welt. Agatha hatte es plötzlich anders überlegt. Akiko nickte zustimmend: Die Divergenz war schlechterdings zu groß! Da galt es, was das Menschsein an sich bedeutete, herauszuarbeiten und den Sach- und Situationszusammenhang, aus dem heraus sie verstanden werden muss, darzustellen. Oder, kurzerhand ausgedrückt, die Kirche im Dorf zu lassen und nur das Notwendigste von der modernen Gesellschaft preiszugeben. Sie ließen das Mädchen unbefriedigt zurück.
Sie hatten ein Mandat zu erfüllen! Eines noch: Zum Vorhergesagten – während Alinta selbstverständlich enthüllt war (bis auf einen schmalen Streifen), manchmal auch ganz nackt (das junge Ding fand auch gar nichts dabei), konnten sie Beide (Agatha und Akiko) nicht aus ihrer Haut. Und obwohl sie sich, wenn die Umstände erforderten, schon einmal hüllenlos zeigten, hatten sie eine Rest-Scham – und die wurden auch nicht los. Ihre Unschuld war endgültig verloren.
Jetzt aber zurück zu ihrem Mandat. Der Gouverneur von Western Australia hatte – ohne dass die Noongar davon erfahren durften – Agatha Collins und Akiko Yamamoto aus London angefordert, weil die örtlichen Polizeikräfte kläglich versagt hatten: bei einer wichtigen Angelegenheit, nämlich beim Aufspüren eines weißen Mörders, der die Aborigines reihenweise umbrachte. Die ebenfalls weißen Polizisten und Polizistinnen nahmen die Sache nicht richtig ernst – es waren „nur“ Noongar.
Akiko kam am ehesten noch als Noongar hin, sie war schon ausreichend gebräunt, während Agatha noch immer zu weiß war – sie hielt daher im Hintergrund. Der Gesuchte war im Moment wie vom Erdboden verschluckt. Er hatte fast ebenso so viel Erfahrung wie die Aborigines, was das Outback betraf – ein „Crocodile Dundee“. Allerdings handelte es sich in diesem Fall nicht um den rauen, aber durchaus liebenswerten Naturburschen, sondern um einen Typen, der mit hoher krimineller Energie ausgestattet war.
Die Assistentin von Agatha, Akiko, setzte sich als Lockvogel in die Einschicht, um ihn (dessen Namen sie nach wie vor nicht wussten) zu provozieren und zu einer unüberlegten Tat herauszufordern. Aber er biss nicht an. Nicht bei solch einer offensichtliche Falle!
Sie mussten subtiler vorgehen, viel subtiler. Allein – es fehlte im Augenblick der geniale Plan!
Da hatten Agatha und Akiko die Idee, Alinta in die Wüste hinauszusetzen – das Girl war sogleich Feuer und Flamme für diesen Einfall, schon um den Erwachsenen zu zeigen, dass sie sich nicht fürchtete, im Gegensatz zu übrigen Clanmitgliedern, denen man die Panik ansah. Außerdem hatten die Privatdetektivinnen ein wachsames Auge auf sie.
Alinta war zweifellos sehr mutig, denn es war in keiner Weise absehbar, wohin das Ganze führen würde. Das konnte einfach werden (was aber nicht erwarten war – soviel läßt heute schon absehen), eher eine komplizierte Angelegenheit. Und so war es auch: Der Beschuldigte tauchte zwar auf, verschwand aber neuerlich im Busch, nachdem er die Sachlage blitzschnell erfaßt hatte. Er war Alinta und im Hintergrund Agatha und Akiko durch die Lappen gegangen.
Das Girl drehte fast durch und die Beiden mussten Alinta zurückhalten, damit sie nicht wegen einer unbedachten Aktion das ganze Projekt gefährden würde. Subtil – das war das Zauberwort! Noch subtiler – das hier gefragt!
Alinta zeigte Agatha und Akiko zuerst einmal, wie sie sich barfuß durch das Spinifex-Gras bewegen sollten – dem Mädchen war im Laufe seines kurzen Lebens eine Hornschicht gewachsen, mit deren Hilfe es mühelos durch die messerscharfe Stacheln gehen konnte. Das dauerte eine gewisse Zeit. Abhärtung war generell das Thema und die Beiden legten den Lendenschurz auch ab und bemalten sich ihre Körper mit weißer Farbe – die im Rahmen von traditionellen Mustern dekoriert waren.
Und sie etwas über die Traumzeit lernen, die gottlos war, ihr zentrales Anliegen ist die Geographie, die sich in der Landbindung offenbart. Fortwährende Schöpfungsgegenwart ohne Anfang und Erde war der Kernpunkt des Ganzen. Es wurde sogar von einzelnen Stammesmitgliedern, die Raum und Zeit überwinden könnten. Nun, Agatha und Akiko waren nicht so weit, und es war zu bezweifeln, ob sie jemals so weit kommen würden, und auch Alinta war noch(?) nicht so weit, dass sie Teleportation beherrschte.
Aber sie alle Drei waren dem Umstand nähergekommen – ein Umstand, der es ihnen ermöglichte, an verschiedenen Orten gleichzeitig und unabhängig voneinander aufzutauchen. Sie bewegten sich wie Fische im Wasser, wenn auch der Vergleich in der Wüste hinkt, aber wir wissen, was gemeint ist – sie waren quasi unsichtbar. Mit ihren Bemalungen hoben sie sich kaum von der Umgebung ab – da wäre jede zusätzliche Bekleidung nur hinderlich gewesen.
Sie umstellten den Gesuchten – dort, wo er sich mutmaßlich aufhielt – aus verschiedenen Richtungen, wobei den Radius immer zogen. Allein, als am Ziel ankamen und die Beute einfahren wollten, war das Vögelchen schon ausgeflogen – er war tatsächlich fast so gut wie die Aborigines im Tarnen und Täuschen und Unkenntlichmachen seiner Spur.
Ein neuer Versuch nach einer gewissen Zeit – der Verschwundene war mittlerweile über alle Berge. Sie brauchten eine Weile, bis sie Fährte wieder aufnahmen konnten – und das war nur einem Zufall zu verdanken. Alinta hatte mit ihrem eingeborenen Instinkt einen abgeknickten Zweig, dort wo er nicht hingehörte, entdeckt. Ausgehend davon, es ihnen ein Leichtes, den Mörder wieder aufzuspüren und großräumig einzukreisen. Ausgehend davon, es ihnen ein Leichtes, den Mörder wieder aufzuspüren und großräumig einzukreisen. Der Kerl saß dieses Mal hoffentlich in der Falle. Da er nahezu unbekleidet war, konnten Agatha, Akiko und Alinta aus der Ferne auch keine Waffen entdecken.
Diese brauchte er auch nicht, da er seine bisherigen Opfer mit bloßen Händen zu erwürgen pflegte (was der Jagdgesellschaft in der Hitze des Gefechts nicht aufgefallen war). Er war, wenn man ihn genauer beobachtete, ein Bär von einen Mann, anders als die grazilen Formen der Aborigines, allerdings ebenso tief gebräunt wie sie.
Er ging Agatha, Akiko und Alinta banalerweise auf den Leim, als er schlief und nicht so wie sonst „on alert“ war – es hatte ihn eine ungeheure Müdigkeit übermannt, sonst wäre ihm das niemals passiert. Ob das Mädchen seine Finger im Spiel gehabt hat, im Zuge seiner rudimentären magischen Fähigkeiten, darüber schweigt die Chronik. Sie fesselten zu Dritt – anders wäre das nicht möglich gewesen. Sie übersahen die pikierten Blicke, die ihnen in Perth, der Capital City of Western Australia, im Hauptquartier der Polizei. Schon auf dem Weg dorthin hatten ein halbnackter gefesselter Mann Aufsehen erregt, dazu drei Grazien, die über und über mit Malereien bedeckt waren.
Die Drei trollten sich wieder in den Busch. Dort bleiben Agatha und Akiko noch eine Weile, um sich abzureagieren und das einfache Leben zu genießen. Dann ging es ab – in die Heimat beziehungsweise Wahlheimat…