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DIE WERBERIN

Werbung ganz allgemein ist ein elementarer Bestandteil der menschlichen Kommunikation, um zweckgebunden Aufmerksamkeit von einzelnen Menschen oder von Gruppen zu erhalten. In diesem Artikel geht es insbesondere um die Werbung im engeren Sinn, somit wird hier Werbung als die Verbreitung von Informationen in der Öffentlichkeit oder an ausgesuchte Zielgruppen durch meist gewinnorientierte Unternehmen verstanden, mit dem Zweck, Produkte und Dienstleistungen bekannt zu machen oder das Image von Unternehmen, Produkten und Dienstleistungen zu pflegen oder aufzubauen.

Sandra Sterling hatte begonnen, sich aus dem Nichts heraus eine Werbeagentur aufzubauen – nicht sehr originell zweifellos, da es Werbeagenturen wie Sand am Meer gab. Aber bildete sich das ein und hatte überdies die Überzeugung, dass sie wesentlich besser sei als potenzielle Konkurrenz.

Außerdem hoffte sie, auf diesem Weg einen interessanten Mann kennenzulernen – ihr bisheriges Liebesleben war nämlich in gewisser Weise als „Mau“ einzustufen. Sie war nicht abgeneigt, im Gegensatz früher, wo sie ein streng katholisches Dasein „gefristet“ hatte (das ist von Autor dieser Zeilen als durchaus zynisch zu verstehen), unkonventionellere Maßstäbe anzulegen. Mit einem Wort, sie war auf wilden Sex aus, von dem sie gehört hatte. Dabei kam ihr zugute, dass sie über ein nicht unattraktives Aussehen verfügte. Manche würden den Ausdruck „bildhübsch“ verwenden – da musste nur an ein paar Rädchen gedreht werden.

Doch zurück zur Werbung. Sie hatte sich der Image-Pflege verschrieben, einem sehr dehnbaren Begriff, der Alles oder Nichts bedeuten konnte. Nebenbei bemerkt (und da sind wir abermals beim Persönlichen angelangt), sie hatte auch das Bestreben, ihr eigenes Image aufzupolieren.

Jetzt aber wirklich zur beruflichen Sphäre der Angelegenheit. Sie bekam eine Auftrag (ihren ersten) herein, bei dem es die komplette Imageneugestaltung eines Unternehmens, das einen angestaubten Ruf hatte. Sie eröffnete dem Inhaber Manfred Berger (eigentlich Manfred Freiherr von Berger – ein Umstand, der tief blicken ließ), dass es mit rein kosmetischen Aktionen nicht abgetan sein würde.

Die höheren Mitarbeiter vom Prokuristen aufwärts (es gab fünf davon sowie einen Beigeordneten Direktor) waren gezwungen, den Firmenchef hausintern mit „Herr Freiherr“ zu apostrophieren beziehungsweise taten sie das auch freiwillig. Die Jüngeren respektive die niederrangigen Belegschaftsmitglieder beachtete der Obergott gar nicht.

Die Sterling versuchte es mit einer kalten Dusche. „So antiquiert können Sie heutzutage kein Unternehmen mehr führen! Das können Sie vergessen, Herr Berger!“ Sie verzichtete bewusst auf das Präfix „Frei-“

Der Generaldirektor (so wurde er auch gern bezeichnet) antwortete im Vollgefühl seiner Überheblichkeit: „Ich habe schon ein Unternehmen geführt, junge Frau, da waren Sie vermutlich gerade in den Windeln!“

„Sehen Sie, und seither hat sich die Welt weitergedreht! Und nennen Sie nie wieder gönnerhaft „junge Frau“! Ich habe studiert und meinen Abschluss in „Internationaler Betriebswirtschaft“ gemacht! Das habe einem – wenn auch erfahrenen – Pragmatiker voraus!“

Manfred Berger war außer sich: „Was fällt Ihnen eigentlich ein? Das muss mir nicht sagen lassen!“ – „Wozu haben Sie mich dann engagiert – nur zur Beruhigung, dass Sie eh‘ alles richtig machen! Wenn wir uns zusammentun, praktische Erfahrung plus theoretisches Wissen! Da könnte was daraus werden!“

„Nur über meine Leiche!“, blaffte er.

„Sie dürfen alles so ernst nehmen, was unser lieber Herr Generaldirektor sagt. Ich und meine Kumpels sind schon längst unterwegs, um unseren Chef zu ersetzen. Nur muss man vorsichtig – er hat zweifellos seine Verdienste, zumindest war es am Anfang so!“, sagte einer der Prokuristen, namens Elias Oikonomou.

Sandra verliebte gleich in den Namen – so eigenartig das auch klingen mag. Es war auch seine griechische Abstammung, die sie für ihn einnahm – mit der hellenischen Ausstrahlung und Physiognomie, vor allem der charakteristischen Nase und dem gekrausten Haar. Für ihn machte sie sich schön über Gebühr – sie drehte an den schon erwähnten Rädchen.

Aber auch Elias Oikonomou sprang auf sie an. Da er bis jetzt nur seine Arbeit in den Mittelpunkt gestellt hatte, dementsprechend unverheiratet, und auch keine „kleine“ Freundin sein eigen nannte, entbrannte er in Liebe zu Sandra. Für den Job blieb ihnen weniger Zeit und siehe da, es ging auch so.

Sie machten für‘s Erste lange Spaziergänge mitten im Wald, dabei kamen sie sich schon gefährlich nahe, aber sie wollen es nicht auf blanken Boden treiben, und Elias lud Sandra in sein bescheidenes Haus am Stadtrand von Wien ein. In der Bleibe herrschte blankes Chaos, aber das störte sie nicht. Sie hatten was Anderes im Sinn und das war viel Schöner. Trotz mancher Anfangsschwierigkeiten (es war für Beide das erste Mal) verlief die Begegnung durchaus erfreulich – und Probleme waren dazu da, um überwunden zu werden.

Das war ihr Motto beruflich, und neuerdings auch privat. Nach einem ausgiebigen Frühstück, bei dem sie hineinstopften, was Elias grade daheim hatte, gingen sie jeder ihrer Wege – Oikonomou in‘s Büro, das Am Hof (im ersten Wiener Gemeindebezirk) lag. Für die Sterling ging‘s ab nach Döbling (Wien XIX), wo sie ihre Wohn- und Betriebsstätte hatte. Sie war flexibler wie ihr neuer – und bis dahin einziger – Freund. Sie badete ausgiebig, nicht ohne die frischen fraulichen Formen zu beobachten – so kam es ihr zumindest vor. Nach dem ausgedehnten Bad frühstückte sie abermals – dann machte sie sich in die Innere Stadt auf. Sie ging gemütlich vom Schottentor über die Schottengasse und die Freyung und den Heidenschuß, bis sie vor der eindrucksvollen Fassade des Firmensitzes Am Hof.

Dann sah Sandra Sterling Elias Oikonomou wieder, den sie erst vor kurzem aus ihren Armen entlassen hatte. Die Zwei begegneten hochprofessionell – „Guten Tag, Frau Sterling!“ – Und sie antwortete: „Guten Tag, Herr Oikonomou!“

Danach konnten die Beiden sich wieder stärker auf‘s Intrigieren verlegen. Sandra war wie selbstverständlich in den Kreis der „Verschwörer“ aufgenommen. Es galt, den Firmenchef aus seiner Komfortzone herauszuholen – im Guten, für den Fall, dass er kooperierte, oder im Schlechten, für den Fall, dass er das nicht täte. Der Ein-Mann-Aufsichtsrat, der die Kapitalgeberseite repräsentierte und der ein gutes persönliches Verhältnis zu Oikonomou hatte, gab sicherheitshalber den Abschuss des Generaldirektors frei.

Dieser zeigte wenig Kooperationsbereitschaft, und so wurde er abgesägt. Der bisherige zugeordnete Direktor übernahm interimistisch – der Titel „Generaldirektor“ wurde abgeschafft. Es stellte sich heraus, dass in der expliziten Form gar nie existierte hatte.

Sandra Sterling drängte – abseits von diesen internen Querelen – darauf, dass es in der Sache an sich weiterging. Und da machte sie Elias Oikonomou – im Bett zuhause – das Angebot, als Sonderbeauftragter in Sachen des Umbaus von einer antiquierten Firma in ein Unternehmen moderner Prägung. Die offizielle Beurkundung erfolgte im Laufe des nächsten Tages durch den Aufsichtsrat, der zuvor mit Oikonomou ein informelles Gespräch geführt hatte, in Form einer schriftlichen Anweisung.

Elias musste liefern!

Und zwar rasch, wobei Sandra ihn unterstütze durch „persönlichen“, moralischen
und dienstlichen Einsatz. Und da stellte sich urplötzlich heraus, dass trotzdem alle Hindernisse beseitigt waren – der ehemalige Generaldirektor, der kurzzeitige beigeordnete Direktor und sämtliche vier verbliebenen Prokuristen – und der Sonderbeauftragte Elias Oikonomou die gesamte Macht in Händen hielt –

– seine Macht irgendwie zerbröselte! Die normative Kraft des Faktischen hatte ihn und Sandra eingeholt!