Agatha Collins – Urlaub
Agatha Collins und Akiko Yamamoto, wieder aus Mexiko zurück und noch immer leicht verstört durch das, was sie erlebt hatten, machten einen ausgiebigen Urlaub in Schottland. Eine gute Idee an sich, wenn sich nicht Dinge ereignet hätten, die – gelinde gesagt – haarsträubend waren.
Aj Koo Yuumilawoll war quer über über den Atlantik gekommen, um die Verbindung zu den alten schottischen Figuren aufzunehmen, die ähnlich gewalttätig wie die Gestalten aus seiner Heimat: – den Kelpies (Diese gestaltenwandelnden Wassergeister erscheinen meist als wunderschöne, aber heimtückische Pferde, die Menschen in Gewässer ziehen.), den Selkies (Wesen, die sich von Robben in Menschen verwandeln und oft in Geschichten über verlorene Liebe und die See zu finden sind.), dem Nuckelavee (Ein furchterregender Meeresdämon, der für Dürre, Krankheit und verbrannte Ernten verantwortlich gemacht wird und dessen Atem die Pflanzen welken lässt.), den Brownies (Hausgeister, die im Verborgenen arbeiten und den Haushalt bei Hausarbeiten unterstützen, aber nur kleine Geschenke oder Essen annehmen und das Haus verlassen, wenn sie schlecht behandelt werden.), der Cat Seth (Eine Art Feenkater, der Haussegen bringen konnte, aber auch gefürchtet war, da man glaubte, er könne Seelen stehlen.), dem Morag (Ein legendäres Seeungeheuer, das in Loch Morar leben soll.), dem Einhorn (Das offizielle Nationaltier Schottlands, das seit Jahrhunderten ein Symbol für Reinheit und Macht ist – diese konnten auch brutal sein.)
Er traf auf Brigid – sie war eine der wichtigsten Göttinnen der keltischen Mythologie. Sie war eine dreifache Göttin und repräsentierte die drei Aspekte des Feuers: Poesie, Heilung und Schmiedekunst. Sie empfing durchaus auch Menschenopfer – das war ganz normal. Er verständigte sich mit ihr auf telepathische Weise und – obwohl sie über ihm stand, als höheres Wesen versus einem „einfachen“ Hohepriester – verstanden sie sich auf Anhieb. Wenn sie auch aus divergenten Kulturen stammten, der Sinn war derselbe: Der Höchste unter den Priestern stand als Mittler zwischen den Gläubigen und der Gottheit!
Agatha und Akiko kannten Aj Koo Yuumilawoll aus Yucatán, darum vertraute er ihnen. Er machte sie mit den ganzen Kreaturen und mit der Göttin vertraut und bat sie, auf Nichts und Niemanden Rücksicht zu nehmen.
Und dann waren die Beiden aufgewacht!
Sie waren wie erschlagen von ihrem Traum, der sie komischerweise synchron in die Sagenwelt der Schottinnen und Schotten hineingeführt hat, was daran liegt, dass ein eigenartiges Licht die Szene erleuchtete. Das gibt es sonst nirgendwo – wo heller Sonnenschein und plötzliche Dunkelheit sich rascher Folge miteinander abwechselten. Das waren sie nicht gewöhnt und kuschelten sie sich in ihrem Hotelzimmer im Bett aneinander.
Total verstört waren sie – aber das ging schnell weiter. Warum sollten sie sich Sorgen machen – sie waren schließlich in den Ferien. Weder war Aj Koo Yuumilawoll über den Ozean gekommen –
– war er das wirklich nicht: Er ging den Beiden keinesfalls aus dem Sinn, sei er jetzt physisch anwesend oder nur spirituell: Mit einem Wort – er war ihr geistiger Führer geworden, wenn auch das „Menschenopfer“ nur unter „Anführungszeichen“ zu verstehen war. Wer von uns hatte nicht schon einmal daran gedacht, jemanden gedanklich umzubringen. Dafür hatte jeder von uns die größte Liebe erfahren (oder zumindest träumte man davon, dieselbe zu erfahren), die es gibt. Und in diesem Spannungsfeld zischen beiden Polen verharrte die Menschheit seit jeher. Aber genug von philosophischen Überlegungen.
Agatha und Akiko hatten ihre Bikinis mitgebracht – für alle Fälle, wenn sie im doch recht frischen Wasser des Lochs Morar baden gehen sollten. Einerlei, sie gingen hinein und nach einem kurzen Kälteschock gewöhnten sie sich daran. Sie tauchten sogar tief hinunter, so tief sie konnten, um das Seeungeheuer Morag zu sehen. Allein, es zeigte nicht. Wahrscheinlich existierte es gar nicht mehr – es gab schließlich die Sage, dass zwei Fischer es erschossen haben, nachdem ihr Boot durch das Untier angegriffen wurde.
Am Ufer zogen die Beiden ihre feuchten Bikinis aus und ließen sich nackt in einer Mulde trocknen. Dort war es warm – und so kamen sie auf die Idee, bei ihrem nächsten Urlaub gleich in den Süden zu fahren, zum Beispiel in den Oman…