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ÜBER DIE GRENZE – Leseprobe 3

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Die Beiden, nämlich Irmgard und Adam, wollten das Alles für eine Zeitlang hinter sich lassen. Sie peilten Regensburg an, im Rahmen eines fünftägigen Urlaubs – Kai und Wanda schützten sie abermals dringende Geschäfte vor. Kai war schon ein wenig misstrauisch, Wanda wiederum war völlig arglos

Sie ignorierten das eine wie das andere. Sie hatten Besseres vor. Als erstes verlustierten sie sich aneinander ausgiebig. Dabei vergaßen sie auch nicht den für sie wesentlichen Augenkontakt. Die meisten Menschen, soweit man weiß, halten die Augen geschlossen, sei es, dass sie bei Tag fickten, oder bei Nacht Geschlechtsverkehr hatten. Aber der eigentliche Reiz vollzog sich erst, wenn sich ihre Blicke beim Sex begegneten.

Anschließend gingen sie essen – sie sprachen über dies und das, dabei waren sie sich in manchen Punkten einig, wie zum Beispiel, dass man der russischen Aggression wirksam entgegenhalten muss (Adam befürwortete etwa einen NATO-Beitritt Österreichs). Dafür hatte Irmgard, in ihrer liberalen Auffassung, wenig Verständnis für die doch eher konservativeren Grazer Ansichten Adams in Fragen der Frauenemanzipation.

„Ich bin in Deinen Augen eine Emanze! Dann hättest Du mit mir gar nichts anfangen dürfen!“ – „Das ist was ganz Anderes! Mit Dir kann man Pferde stehlen!“, war seine Antwort. – Sie blickte verständnislos. „Wir sollten unsere knapp bemessene Zeit nicht fruchtlosen Debatten verplempern! Gehen wir statt dessen in Regensburg spazieren!“, sagte sie.

Auch während des Spaziergangs gab Adam keine Ruhe: „Na, schön ich bin ein Macho, damit gar nicht schlecht gefahren! Außer bei Dir, aber das ist, wie gesagt, was Anderes! Du kommst aus einem anderen Kulturkreis! Aber in Graz und Umgebung kommt man bei uns nicht weiter!“

„Schweig – alles was Du ab jetzt sagst, wirst Du nur bereuen!“

Und sie wanderten still weiter. Und dann schliefen sie wieder miteinander – sie waren darauf gekommen, dass sie das am besten konnten. Mit all dem Augenkontakt und all dem Übrigen…

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Kai war mit den Vorwürfen einer Frau namens Wiebke Hohmann konfrontiert, die Irmgard Krause beschuldigte, ein Verhältnis mit einem nicht näher bezeichneten Mann zu haben. Das hatte sie aus den Unterlagen herausgelesen für eine Dienstreise, für die nach ihrer Ansicht kein Grund bestand.

„Meine Irmgard ist über jeden Verdacht erhaben!“ (Kai wischte den anfänglichen Argwohn zur Seite) „Und woher haben Sie diesen haarsträubenden Unsinn! Sie sind doch in hohem Bogen hinausgeflogen – das zur Güte Ihrer Quellen!“ – Die Hohmann gab vorerst auf. Aber sie ließ die Sache längerfristig nicht beruhen.

Wanda wiederum fragte in ihrer Naivität Adam: „Schatz, wieviel Urlaub haben wir noch?“ – Und da fiel selbst ihr die Diskrepanz auf, zwischen den Urlaubstagen, von denen sie wusste, und den tatsächlichen Urlaubstagen. Sie stieg von dem Thema nicht mehr herab, denn das war ihr bewusst, dass da etwas nicht stimmte. Sie beharrte darauf, das aufzuklären.

Adam zog sich auf die Behauptung zurück, dass er auch seine Freiräume beanspruchte, in denen er machte, was er wollte. Wanda war zutiefst enttäuscht, dass er nicht seinen gesamten Urlaub mit ihr verbringen würde. Einzelne Stunden – das war schon in Ordnung. Sie hatte auch ihre Freundinnen, mit denen sie gerne allein stundenweise herumhing.

Sie beschoss ihre Kollegen von „Transgourmet“, einem steirischen Lebensmittelgroßhändler, bei dem sie beschäftigt war, zu fragen, ob ein derartiges Verhalten üblich war. Der dortige Chef, ein gewisser Claus Tschreppl, der schon lange ein Auge auf die Maurer geworfen hatte, sagte ihr ohne Umschweife, dass ihr Mann ein Idiot sei – in der Hoffnung, dass er zum Zug kommen würde.

Wanda erhörte Tschreppl nicht, zumindest nicht gleich, damit sie ihn weiter bei der Stange halten könnte. Was aber passierte, war, dass sie sich weitere Schritte vorbehielt.

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Claus Tschreppl ging einen Schritt weiter – er verlangte als Vorgesetzter und als Mann, dass Wanda Maurer mit ihm Sex hätte. Da war sie in einer wirklichen Zwickmühle – der Chef konnte ihr die Hölle heiß machen, anderseits war er gar nicht so übel gebaut, dass der Beischlaf mit ihm sie vor unwiederbringliche Probleme stellen würde. Er war überdies Junggeselle, dass von der Seite gar keine Gefahr drohte.

Und hatte ferner das instinktive Gefühl, wie es jeder Frau zu eigen ist, dass da etwas nicht stimmte – je mehr sie darüber nachdachte, verstärkte sich dieses Gefühl trotz der Naivität, die ihr quasi angeboren war. Sie gab sich ihm hin und hatte Spaß dabei – wenn schon, denn schon, dachte sie sich. Das war eine Emotion, dass das passiert wäre, was auch rein praktisch passiert ist, was ihr sechster Sinn ihr sagte.

Gleich auf dem Schreibtisch fand die Begegnung zwischen Claus (so durfte ihn fürderhin nennen, wenn außer ihnen Beiden kein Mensch dabei war – allein sie tat es nicht) und Wanda statt. Dabei wäre es, wenn es nach ihr gegangen wäre, bei einem und einzigem Mal geblieben, aber da waren die Schleusen schon geöffnet für unzählige weitere Male. Tschreppl nahm sie, nachdem er die Türe abgeschlossen hatte, auf seinem Pult.

Was sie daran besonders störte, war die zunehmend unpersönliche Art, mit er an die Sache heranging – sie kam stellenweise wie ein auswechselbares Stück Fleisch vor. Das Schlimme war, dass sie mit anschwellender Routine (was nicht von der Hand zu weisen war) das durchaus genoss, wenn die Dämme auch bei ihr brachen und sie laut aufstöhnte. Tschreppl hingegen redete nichts und deutete nichts, selbst in der größten Ekstase. Wandas frühere Naivität war dahin.