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DER IMPERATOR – Leseprobe 11

EINUNDDREIßIGSTES KAPITEL

Die Abwesenheit des Kaisers hatte große Besorgnis ausgelöst. Zwar war die tägliche Regierungsarbeit nicht beeinträchtigt, aber wohl das große Ganze – abgesehen vom persönlichen Verlust. Der war jedoch – jedenfalls für Arminia – ungemein, aber auch für den Rest der Familie.

Livia versuchte, den Betrieb einigermaßen aufrechtzuerhalten, und das machte sie immer besser – sie brauchte den Vater gar nicht mehr, ausgenommen seine Autorität, die sie fallweise benötigte. Sie war unsicher, ob sie die dauerhafte Abwesenheit des Kaisers ex improviso meistern würde.

Arminia verfiel in eine tiefe Depression, aus der sie zuweilen erwachte, um dann noch bodenloser hineinfiel. Was sollte man mit ihr machen – eine Auswärtige, die sich nur mit Gallienus wohlgefühlt hatte, aber ohne ihn wirklich verloren war. Sie kam immer stärker darauf, dass sie in ihm nicht so sehr den Kaiser, als vielmehr den Mann liebte beziehungsweise geliebt hatte – wenn er tatsächlich auf Dauer verschwunden war.

Traurig, traurig, traurig! Arminia hatte Idee, in ihre Heimat nördlich der Donau zurück zukehren. Aber würde es ihr noch gefallen? Die alten Freunde, soweit es sie überhaupt noch gab, hatten sich entfremdet. Und überhaupt: Die Markomannen waren vorwiegend Viehzüchter und Jäger – und Krieger. Der Handel spielte eine wichtige Rolle, und sie tauschten Felle, Bernstein und andere Güter mit römischen Händlern. Sie dachte nicht, dass ihr die relativ primitive Lebensweise (dies war die Römerin in ihr) noch zusagen würde.

Dann verwarf sie den Plan. Als Entwurzelte stand sie zwischen beiden Welten. Nur zusammengehalten durch Gallienus, den untreuen Gesellen…

ZWEIUNDDREIßIGSTES KAPITEL

Die Reise von Gallienus und Egnatia Mariniana ging in‘s ferne Persische Reich. An der Grenze zum Römischen Reich erwies sich der vermeintliche Unterschied als falsch: hie gepflasterte Straßen, dort gepflasterte Straßen der Persischen Königsstraße – Gallienus war überrascht hinsichtlich der hohen Zivilisation, die auf der anderen Seite om herrschte.

Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb waren der Kaiser, der als solches nicht zu erkennen war, und seine Mutter, die die alten Klamotten trug, extrem vorsichtig. Übrigens – Egnatia Mariniana hielt sich hervorragend. Sie marschierte darauf los, nur wenn sich die Gelegenheit zum Mitfahren bot, konnte sie kurz verschnaufen. Dabei ergab sich folgende Situation: Der Kutscher fragte nach üblichen Woher-Wohin: „Woher kommt Ihr? Ihr seid nicht von hier!“

Gallienus sprach einige Brocken Persisch – er sagte: „Wir nicht von, hier um Persepolis sehen!“ – Der Fuhrmann war‘s zufrieden. Es war ihm ohnehin zu mühsam, sich mit diesen Ausländern zu unterhalten. Dies blieb komischer Weise das einzige heikle Moment ihrer Reise. In Persepolis gab es einige, die Latein konnten. Gallienus und Egnatia Mariniana stiegen in einer bescheidenen Herberge ab – so wie es der vermeintlich niedrigen Herkunft entsprach.

Und am nächsten Morgen standen im Tempel, wo die Valerianus’ Haut zur Schau gestellt wurde – Egnatia Mariniana fiel um ein Haar in Ohnmacht, als sie das sah. Sie durften aber sie nicht auffallen. Gallienus fing seine Mutter gerade noch auf.

Der Tempel war Tag und Nacht geöffnet. Sie überlegten, welche Stunde die geeignetste wäre. Bei Tag war ohnedies viel los, bei Nacht ging es auf Grund geheimnisvoller Riten ebenso viel Betrieb herrschte wie untertags. So entschieden sie sich für frühen Abend als „Tatzeitpunkt“, da es am wenigsten Remmidemmi gab. Sie planten den Einsatz für den nächsten Abend.

Da durfte nichts schief laufen – Gallienus fragte seine Mutter, ob er allein durchziehen sollte, während in der Herberge auf ihn wartete. „Kommt nicht in Frage. Mitgegangen – mitgehangen! Das ist meine Devise! Ich könnte es mir niemals verzeihen, wenn Du im Gefängnis sitzst, mit der Todesstrafe vor Augen. Während ich in unserem Logis warte – ohne Wiederkehr!“ – Der Kaiser hatte von Egnatia Mariniana keine anderes Statement erwartet.

Sie gingen mehr als vorsichtig an‘s Werk.

DREIUNDDREIßIGSTES KAPITEL

Noch immer keine Nachricht von Gallienus.

Die Feinde witterten Morgenluft. Mit der Regentin auf dem Caesarenthron würden sie schon fertig werden. Sie waren auf Grund der Tatsache, dass die Widersacher gleichzeitig an allen Fronten aufstanden, das Schicksal des Römischen Reiches besiegelt würde.

Da hatten sie die Rechnung ohne Livia gemacht, indem sie den Franken schmeichelte und ihnen Teile Galliens versprach und einen Friedensschluss in Aussicht stellte. Die Franken waren‘s zufrieden – wozu kämpfen, mit unsicheren Ausgang, wenn das Ersehnte kampflos in die richtige Richtung ging. Denn eine Bedingung stellte die Regentin: Es sollten die Gebietsabtretungen erst zum Ende erfolgen. Die übrigen Germanenstämme waren zu schwach, um effektiv gegen das Reich vorzugehen.

Der Status der Provinz Britannia blieb unangetastet. Livia hatte zunächst Ruhe vor dem, was im Moment nicht zu ändern war, aber sie hatte noch eine Rechnung offen – die Insel musste wieder ein integraler Bestandteil des Römischen Reiches. Offiziell tat sie General Carausius, es gab immer noch, schön und er fühlte sich angetan von der Kaiserin, deren Titel er wieder akzeptierte. Sie konnte ihm nicht gefährlich werden.

Die Araber konnten durch einfache Verstärkungen im Grenzwall abgehalten werden. Außerdem interessierte sie mittlerweile etwas Anderes – so sprunghaft wie waren: Träumer ganz und gar.

Blieben als die Perser, die schwer einzuschätzen waren, hinsichtlich ihrer Kampfkraft oder überhaupt der inneren Festigkeit des Persischen Reiches, und ob sie weiter östlich irgendwelche Ressourcen anzapfen konnten, von denen Rom nichts wusste. Das war der Stand der Dinge.

Es galt also, eine Strategie zu entwickeln, falls der kalte Krieg, der zwischen Beiden den Reichen herrschte, in einen heißen Krieg umschlagen. Dabei wusste die Regentin noch nicht einmal von dem Coup, den Gallienus und seine Mutter durchgezogen hatten.