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DER IMPERATOR – Leseprobe 17

NEUNUNDVIERZIGSTES KAPITEL

Die Regentin hatte sich wieder gefangen, schon wegen ihrer Kinder, wenn es nicht schon zu spät war. Große Hoffnungen setzte sie diesbezüglich in Livius, der Osten zurückgekommen war, nachdem er dort Besonnenheit gestiftet hatte. Überhaupt herrschte auch Ruhe im Norden, Westen und Süden – erwünschenswerterweise nicht die Ruhe vor dem Sturm (tatsächlich sollte der Frieden für die nächsten 100 Jahre gelten, wie erinnerlich).

Die Sorge um die Kinder trieb Livia plötzlich um, und das in immer intensiverer Form. Sie glaubte, Lara und Felix etwas zu schulden, was über die bloße Gegenwart ihrer. Person – sie wusste nur noch nicht, was das genau zu sein hätte. Zu verschieden waren ihre Interessen – bei Lara war es der Sport, während es bei Felix die Literatur war.

Lara entwickelte zu einer richtigen Kampfmaschine, während bei Felix gewisse schwule Tendenzen nicht von der Hand zu weisen waren, obwohl er selbst vermutlich noch nicht sicher war, was das ganze bedeuten sollte. Lara suchte und fand Streit – sie hatte die nötigen körperlichen Voraussetzungen dafür, im Gegensatz zu Felix, der eher schmächtig war. Sie probierte an ihm ihre teilweise sadistischen Neigungen aus und er war ihr hoffnungslos unterlegen. Wenn Lara sich an ihm genügend ausgepowert hatte, saßen sie still und friedlich zusammen.

Felix trug eigene Gedichte vor, die mittlerweile selbst verfasst hatte. Es ging um‘s Thema „Liebe“:

„Tu amabilis es. Adoro te.
Totum desiderium meum ad te pertinet.“

Auf deutsch heißt das ungefähr:
„Du bist liebenswert. Ich bete dich an.
Dir gehört mein ganzes Sehnen.“

Das ließ Lara sich gerne gefallen – wer würde schon die spezifischen Beziehung zwischen Zwillingen verstehen?

FÜNFZIGSTES KAPITEL

Egnatia Mariniana war mittlerweile eine reifere Dame – reif, aber keineswegs weise. Sie hatte in ihrem Leben schon soviel versäumt, dass sie sexuell aktiv war, wie selten ihrer Existenz. Da kam noch, dass sie ihr Klimakterium längst hinter sich gelassen hatte.

Sie freute sich, wenn Gallienus immer öfter auf Besuch kam, weil Arminia keine Zeit für ihn hatte. Sie überfiel ihn neuerdings gleich (ohne Essen und ohne Eis, allenfalls nachher) – sie überwältigte ihn! Nicht, dass ihm das nicht gefallen hätte, aber nicht mit dieser Geschwindigkeit!

„Was ist mit Dir?“, fragte Egnatia. – „Ja, das Alter!“, erwiderte Gallienus. – „Du bist sechzehn Jahre jünger als ich!“

Egnatia war behutsam – sie gab ihm Essen ein. Und sein geliebtes Speiseeis!

Sie wartete geduldig, bis er gefuttert hatte. Und dann langsam, fast fürsorglich versuchte sie sein libidinöses Begehren wieder erwecken und weil so sorgsam mit umging, kam er erneut hoch.

Als alles vorbei war (befriedigend vorbei war, wohlgemerkt), hatte Gallienus das Bedürfnis zu reden. Er ließ sie teilhaben an seinen Erfolgen und seinen Misserfolge und merkte nicht, dass sie vor einer gewissen Zeit entschlummert war.

Er redete und redete, und er redete…

Zum Schluss fragte er: „Was sagst Du dazu!“

Da realisierte er, dass Egnatia Mariniana schlief – und zwar tief und fest. Sie war tot!

EINUNDFÜNFZIGSTES KAPITEL

Felix war definitiv schwul. Seine Mutter und sein Vater waren zunächst entsetzt, dann aber überlegten sie, dass es in langen Reihe von Figuren auf dem Herrscherthron gab, die auf die ein oder andere Weise „queer“ waren. Als Beispiel diene lediglich der dritte Kaiser, Caligula – von ihm heißt es, dass er schlichtweg „wahnsinnig“ (selbst in zeitgenössischen Quellen) sei. Er hatte sogar seinem Lieblingspferd Incitatus den Rang eines Senators verliehen – und das war noch die geringste seiner Schandtaten, nebst Inzest und Mord.

Was die aktuelle Situation betraf – es musste natürlich nicht Felix sein, seine Schwester kam auch in Frage, nach der Reform, die Gallienus eingeleitet hatte, anlässlich der Bestellung Livias zu Regentin und späteren Kaiserin. Die Eltern der Zwei fanden überhaupt insgeheim, dass Lara die geeignetere Kandidatin für den kaiserlichen Job war. Lara hatte die Ausstrahlung ihrer Mutter nur bedingt geerbt, aber vom Auftreten her war sie eine eindrucksvolle Persönlichkeit. Dabei hatte sie eine ebenmäßige Figur, wobei besonders die eindrucksvolle Muskeln hervorstachen.

Felix dagegen legte auf sein Äußeres wenig Wert – ihm ging es mehr um die inneren Ideale. Er war relativ dünn, aber das war nur eine optische Illusion, die durch die Schwester herbeigeführt wurde – sie hatte eine Menge Zeit und Energie investiert, damit am Ende dieser Prachtkörper herauskam. Felix war dagegen normal geblieben. Er befasste sich lediglich mit Literatur – was nicht gerade zu den kaiserlichen Haupttugenden zählte.

Aber war die ungewisse Zukunft. Einig waren sich Gallienus und Arminia – wenn es in ihrem Ermessen stand -, dass sie Lara den Zuschlag geben würden.