DER IMPERATOR – Leseprobe 9
FÜNFUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Die Araber machten wieder Schwierigkeiten – das war zumindest die offizielle Lesart der römischen Propaganda. Inoffiziell war das genaue Gegenteil der Fall. Der Kaiser wusste davon noch nichts. Die lokalen „Obergötter“ hatten die Meldung bewusst verzögert, um die Zentrale in Rom vor vollendete Tatsachen zu stellen.
Da waren ziemliche Rabiatperlen unterwegs an der südöstlichen Flanke des Reichs. Sie (und ihr Anführer, Flavius) hatten noch eine persönliche Rechnung offen mit Omar, dem Emir von Tarbuk. Der war auch kein unbeschriebenes Blatt, aber das war seine immerhin Heimat, was er da verteidigte – während die Römer als Invasoren gekommen waren. Darüber hinaus hatte Flavius Omars Schwester vergewaltigt – was nach Blutrache schrie!
Derlei Hintergründe waren in Rom weitgehend unbekannt trotz der intensiven römische Aufklärungsarbeit, aber das war allzu weit weg. Omar spürte Flavius auf, wo immer er hinging, aber der Kerl entwischte ihm regelmäßig, was nicht zuletzt daran, dass Flavius keinesfalls ohne Leibwache unterwegs war. Omar war halb wahnsinnig, weil er den Vergewaltiger nicht gegenüber treten konnte.
Als der Kaiser endlich doch erfuhr, was da los sei, enthob er Flavius seines Kommandos – er lieferte den Übeltäter an Omar aus. Was fürderhin mit ihm geschah, interessierte nicht – genausowenig wie der Aufschrei der Legionäre, die plötzlich ihren Chef verloren hatten. Gallienus machte ihnen klar, dass ihnen eine Militärstrafe bei kollektiven Vergehen wie Meuterei (in Form einer „Decimatio“, also einem unter zehn Mann für die Exekution) drohen würde. Ein Legat sei bereits unterwegs nach Osten – er sollte überprüfen, ob alles so war, wie es der Kaiser befohlen hatte.
Dann kehrte Ruhe an der „arabischen Front“ ein.
SECHSUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Die Kronprinzessin und Gemahl fuhren zu einem Kurzurlaub nach Sizilien (auf Lateinisch „Sicilia“ genannt). Der Kaiser und seine Frau mögen allein sehen, wie sie zurechtkamen – als ob sie das nötig gehabt hätten. Lächerlich – sie konnten sich das Kichern mit Mühe verbeißen.
Livia und Livius hatten das seltene Gefühl, das Arminia und Gallienus auf Capri gehabt haben. Sie waren in der kaiserlichen Villa in Portus Empedokles (wo hatte der Kaiser eigentlich keine Bleibe?). Sie aßen und tranken. Dann gingen sie am Strand entlang, kilometerweit, bis sie an einen Turm, einem turmartigen Kastell, kamen – dort kehrten um.
„Erwarte mich im Bett!“, sagte Livia zu Livius. Dann schliefen sie miteinander. Der Gatte war erstaunt, mit welcher Leidenschaft sie ihm begegnete. „Mädchen und Frauen brauchen innere Freiheit und äußere Rückendeckung durch Sprache, Vorbilder und Räume, in denen weibliche Sexualität nicht bewertet, sondern respektiert wird, sei es in Schulen, Familien oder Medien.“, dozierte Livia – ein revolutionärer Ansatz, mit dem ihrer Zeit vorauswar. „Weibliche Lust muss gesellschaftlich als genauso normal angesehen werden wie männliche. Denn Lust sollte kein Tabu sein, sondern Teil eines gesunden Lebens!“
„Amen!“, antwortete Livius lustvoll und gab sich seiner lustvollen Frau hin – ein Ansatz, der ihm sehr wohl gefiel.
Sie hatten von nun mehr Spaß zusammen, als sie es je miteinander gehabt hatten – bevor die Dozentin Livia ihren Vortrag gehalten hatte.
SIEBENUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Nach der Rückkehr von ihrem Kurzurlaub kam die Kronprinzessin darauf, dass sie schwanger war. Die Freude war groß, auch bei ihrem Mann und (selbstverständlich) bei den Eltern, die schon bald einen Enkel oder eine Enkelin in Händen halten wollten. Doch noch war es nicht so weit – Livia war am Beginn ihrer Schwangerschaft. Und das war arg genug – sie hatte schon so keine Geduld, mit nicht und mit niemanden. Aber das was jetzt kam, überstieg alles bisher Dagewesene.
Sie war unleidlich, lag den ganzen Tag im Bett und gab ihre Kommandos. Und wehe, wenn man nicht gleich – in der Minute – zu Diensten war, bekam sie einen Tobsuchtsanfall, wobei sie zwischen dem Personal und den Familienmitgliedern keinen Unterschied machte. Besonders ihr Mann kriegte ein gerütteltes Maß an Fett ab. Er hatte längst seinen Job quittiert und ging in seiner Rolle als Prinzgemahl auf.
Dabei war sie richtig süß, wie sie da im ruhte, im Vollgefühl ihrer strahlenden Weiblichkeit, und als der Bauch sich langsam wölbte, überkam Livius ein Gefühl grenzenloser Liebe. Er tat alles für sie.
Wenn Livia sich an ihn herankuschelte und ihm schön tat, war jede Unbill vergeben und vergessen. Sie verwöhnte mit ihren Augen, bis er sich nicht mehr halten konnte – er deckte sie ab, darunter war sie nackt. Er genoss ihren Anblick, selbst im schwangeren Zustand, oder gerade deshalb. Sie war in jeden Fall eine beeindruckende Persönlichkeit!