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ROMAN NR. 10 – Leseprobe 5

Kapitel 13

Manchmal, ganz selten arbeitete Zoé als sogenannter „Interim Chief Executive Officer (CEO)“, der zur Aufgabe hatte, die Geschäfte für einen begrenzten Zeitraum und mit einem bestimmten Auftrag zu führen. Beispielsweise leiten sie einen Turnaround in die Wege, treiben das Wachstum gezielt voran oder besetzen eine Vakanz aufgrund eines Abgangs. Sie analysieren nicht nur die Situation, sondern sorgen auch tatkräftig für die Umsetzung der notwendigen Änderungen.

Zoé hatte kein rechte Freude mit derlei Jobs: sie waren über Gebühr aufwendig, auch konnte man sich nicht so leicht aus der Verantwortung stehlen. Zoé machte nur in ganz spezifischen Fällen eine Ausnahme – etwa dann, wenn ein Firmengründer plötzlich verstarb und seine Kinder noch nicht so weit waren, in seine Fußstapfen zu treten.

Ein Interim CEO hat Erfahrung in der Führung im Zusammenhang mit geschäftskritischen Herausforderungen. Zoé trat in eine in Frage stehende Organisation ein und konnte das Unternehmen sicher in die richtige Richtung führen. Als Interim CEO schaltete sie einen Gang höher, um schnell Lösungen zu finden, Ergebnisse zu erzielen und messbare Wertschöpfung zu liefern.

Noch einmal gesagt, Zoé war von dieser Art Beschäftigung mit einer Firma nicht angetan. Lieber brachte die Dinge durcheinander – um dann zu verschwinden: auf Nimmer-Wiedersehen…

Kapitel 14

Nicolas hörte sich einen Vortrag an – ohne Zoé. Der Redner bemerkte witzig:

„Das passiert, wenn man Einsteins Relativität zu Ende denkt. Denn Einsteins Relativitätskonzept war nicht das erste seiner Art. Schon Galilei entdeckte Raumzeitsymmetrien. Es gibt zahlreiche weitere Möglichkeiten, insgesamt genau 24. Ein Mensch, der sich auf einem Schiff unter Deck befindet, kann im Normalfall nicht erkennen, ob sich das Schiff bewegt oder nicht. Bewegung ist nicht absolut, sondern relativ. Als Albert Einstein postulierte, dass Raum und Zeit nicht absolut, sondern relativ sind, löste er nicht nur ein wissenschaftliches Erdbeben aus, sondern verknüpfte den Begriff der Relativität auch für immer mit seinem Namen.

Galilei erkannte, dass es in der physikalischen Welt ebenfalls tief eingeschriebene Symmetrien gibt. Ein Schiff kann fahren oder vor Anker liegen – für jemanden, der darauf mechanische Experimente durchführt, ist kein Unterschied bemerkbar. Die Galilei-Symmetrien unterscheiden sich aber von jenen hinter Einsteins Relativitätstheorie, denn bei Galilei ist die Lichtgeschwindigkeit nicht konstant. Einsteins Symmetrien erweitern jene von Galilei.“

Nicolas stieg an der Stelle aus und verließ den Raum. Er hatte es nicht so mit der Physik. Dabei war ihm Einsteins Konzept einigermaßen klar – er musste an den alten Witz denken: Wenn man zwei Stunden lang mit einem Mädchen zusammensitzt, meint man, es wäre eine Minute. Sitzt man jedoch eine Minute auf einem heißen Ofen, meint man, es wären zwei Stunden. Das ist Relativität.

Im Ernst: im Alltag lösen sich diese Gedanken in Luft auf – sie entstehen erst gar nicht und bleiben für das Gros der Menschen unsichtbar…

Kapitel 15

Zoé hatte eine Freundin, die kohlrabenschwarz war. Sie hatte sich dem Jazz verschrieben, und zwar als Sängerin. Der ganz große Durchbruch war ihr noch nicht gelungen – sie trat daher in irgendwelchen Clubs auf, die vom Ruf her an der Grenze des Erträglichen.

Dabei sang sie so wunderschön mit ihrer gutturalen Stimme – man musste sie einfach lieben. Ihr Name war übrigens – ebenso guttural – Nala Mandisa. Zoé ging in den Club, wann immer es ihre Zeit erlaubte, um Nalas erotisches Timbre zu hören. Und erotisch war es allemal – wie sich überhaupt ihre ganze Erscheinung aufreizend darstellte.

Mit der Zeit legte Nala es direkt darauf an, sich in immer unbekleideteren Zustand zu präsentieren. Mal trug sie ein ultrakurzes Kleid, und wenn ich sage ultrakurz, dann meine das so – mal stellte sie ihren breit ausladenden Busen zur Schau. Aber da war noch etwas Anderes – sie studierte in ihrer Freizeit (wenn man es so will) Philosophie und Psychologie. Dank eines kleinen Vermögens, das ihr Vater (Gott hab‘ ihn selig) ihr vermacht hatte, und von dem sie sich nie fragte, aus welchen dunklen schwarzafrikanischen Geschäften es stammte, genoss sie ein sorgenfreies Leben.

Auch auf der Universität war sie mit Rassismus konfrontiert, allerdings mit einer subtileren Form: man mochte sie oder eben nicht. Besonders ein Professor war es, der ihr nachstellte – er gab nicht eher Ruhe, bis sie mit ihm in‘s Bett ginge. Andernfalls würde sie niemals die erforderlichen Zensuren erreichen.

Sie machte sich letztlich einen Spaß mit ihm. Sie gestattete es ihm, einmal mit einer „Negerin“ (sic!) zu schlafen. Dann, als es soweit war, versagte er kläglich. Er hatte zuviel vorgenommen…