ROMAN NR. 10 – Leseprobe 3
Kapitel 7
Nicolas hatte einen Freund namens Felix Steinfeld, der den stattgefundenen Kahlschlag überlebt hatte. Er war seit frühester Jugend ein bekennender Homosexueller, was ihm – wie die Dinge seinerzeit lagen – nicht eben die Sympathie seiner Klassenkameraden und -kameradinnen einbrachte. Zudem kleidete er sich modisch, was nach der damals herrschenden Meinung den Schülerinnen vorbehalten war – und selbst das nur eingeschränkt.
Sie verhöhnten ihn in den Pausen, streckten ihn quer über die Bank und bemalten mit einem Kugelschreiber seinen Bauch mit obszönen Darstellungen. Die Mitschülerinnen waren besonders aktiv und taten sich hervor. Wenn er, was vorkam, einmal abspritzte, waren es die jungen Damen (oder sollte man, die jungen Gören), die sich an seinem Anblick ergötzten. Da war ein Jauchzen und Frohlocken allenthalben, das es die reinste Freude war.
An der Uni war es dann anonymer. Jeder der Studenten und Studentinnen ging seiner Wege – wenn man nicht wollte, konnte man auch allein bleiben und sich jene Partner suchen, die einem richtig zusagten. Später dann in der Arbeit sollte die sexuelle Orientierung kein Hindernis darstellen. Er war im Dienst unauffällig – im Gegensatz zu seinem Privatleben.
Da ging er in drittklassige Shows und sprach auf‘s Geratewohl völlig Wildfremde an, mit denen er dann fallweise in‘s Hotel marschierte – niemals in sein privates Logie, das war ihm heilig. Und so lernte er Nala Mandisa kennen, nicht persönlich zwar, sie auf der Bühne (wenn man das so bezeichnen kann), und er im Publikum (wieder: wenn man das so bezeichnen kann). Er verehrte sie – wohlgemerkt platonisch -, sie war als Sängerin sein Ein und Alles.
Kapitel 8
Nicolas setzte auf die Macht des Faktischen, wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen ging. Auf diese Art hatte er Zoé kennengelernt, ganz zufällig. Dessenungeachtet musste er sich um seinen Betrieb kümmern, was ungeheuer wichtig war – Zoé zum Trotz. Es ging seiner Firma derzeit keineswegs gut – darum hatte er Zoé ursprünglich zu Hilfe geholt. Bevor er sich in sie verliebt hatte.
Die IT-Branche ist ein bedeutender Wirtschaftszweig. Ihr gehören Unternehmen unterschiedlichster Größe an, die sich im weitesten Sinne mit Hard- und Software, Internet, Mobiltelefonie und der maschinellen Verwertung von Daten befassen. Das Kürzel „IT“ stammt aus dem Englischen, steht für Information Technologie und umfasst sämtliche Sektoren der Informations-, Kommunikations- und Datenverarbeitung, welche auf – mittels spezieller IT-Environments bereitgestellten – technischen Services und Funktionen, Hardware-Plattformen und Software-Anwendungen basieren. Derartige Facilities können samt ihrer technischen Infrastruktur entweder stationär vor Ort, über lokale Netzwerke oder über virtuelle Cloud-Systeme und Serverfarmen betrieben werden. Ausgehend von einer ursprünglichen Unterteilung in elektronische Informations- und Datenverarbeitung sowie elektrische beziehungsweise elektronische (Tele)-Kommunikationstechniken sind die beiden Fachgebiete heute weitgehend miteinander verknüpft und auch anwendungstechnisch kaum mehr zu trennen. Als Beispiel diene der Bereich der Smart-Home-Technologie, bei der eine weitgehende Vernetzung der Kommandostrukturen über funkbasierte Telekommunikationsnetze erfolgt, die intelligentisierten Haushaltsgeräte selbst allerdings über integrierte Computer-Chips adressiert und gesteuert werden.
Jeder Anbieter drängte auf diesen Markt – es gab einfach viel Konkurrenz. Das Unternehmen von Nicolas in dem Strudel versinken. Aber Zoé in beruflichen Fragen zu kontaktieren, kam nicht in die Tüte, wie sich unsere deutschen Nachbarn so treffend auszudrücken pflegen. Eher musste er jemand anderen bitten. Mit Zoé war er insofern fertig, dass es keinerlei dienstlichen Kontakt gab.
Kapitel 9
Zoé war im Prinzip froh über diese Regelung. Kein dienstlicher Kontakt – das hörte sich gut an, und umso liebevollere Zuneigung, jedenfalls aus der Sicht der Frau – die Männer waren eine gesonderte Kategorie, auch was Nicolas betraf. Sie bemühte sich, was heißt Mühe, sie verehrte ihn geradezu – wenn er nicht momentan etwas murrköpfig und gnatzig war.
Zoé versuchte, ihr Bestes zu geben. Manchmal betete sie – aber sie hatte das Meiste bereits vergessen. „Vater unser -“ – es ging nicht mehr. Da hörte ich mir lieber Jacob Chritoffersen mit seinem göttlichen Pianosolo an – ganz im Sinne des Agnostizismus.
Oder Diana Krall mit „Besame Mucho“ – alles war stimmiger als die Gebete. Oder von Santana mit „La Fuente del Ritmo“. Oder Candy Dulfer mit „Lily was here“. Oder was immer aus dem Radiogerät erklang…
Alles war besser als die langweiligen Gesänge der Priester, der Popen und sämtlicher anderer Geistlicher aller Religionen. Und da hat sie noch nicht einmal die sogenannte ernste Musik dazugezählt, von Bach über Mozart und über Orff…
Und da hatten sie sich aus den Fängen der religiösen Vorherrschaft, wenn auch nur teilweise, befreit.