Main menu:

Der Imperator (Si ko)

VORBEMERKUNG

Auf den Münzen des Jahres 257 wurde eines Sieges gedacht, der immerhin ausreichte, ihm den Titel „Erneuerer der Welt“ einzutragen. Kurz darauf verließ den Kaiser jedoch das Kriegsglück: Seine Armee wurde in der Schlacht von Edessa im Frühsommer 260 durch die Perser vernichtend geschlagen. Der Bericht über die Gefangennahme Valerians – ein einmaliger Vorgang in der römischen Geschichte – ist uns durch den Tatsachenbericht Schapurs I., den so genannten Res Gestae Divi Saporis, überliefert.

Für Rom stellte die Kaptivation des Kaisers, sein voller Name war übrigens Publius Licinius Valerianus, eine ungeheure Demütigung dar, die römische Orientverteidigung brach praktisch zusammen. Valerians Sohn Gallienus, der ihm schon bisher an die Hand gegangen war, übernahm nun die Alleinherrschaft, wobei offenbar kein Versuch unternommen wurde, den Kaiser aus der Gefangenschaft zu befreien.

Viele kuriose Geschichten wurden in weiterer Folge berichtet – so habe Valerian dem Perserkönig als eine Art „lebendige Leiter“ zur Besteigung seines Pferdes gedient. Als der Unglückliche schließlich in Gundischapur starb (das genaue Todesdatum ist unbekannt), wurde ihm angeblich die Haut abgezogen. Diese sollen die Perser dann mit Zinnober gefärbt und in einem Tempel als unverhohlene Warnung an Rom aufgehängt haben.

ERSTES KAPITEL

Valerians Sohn Gallienus wusste Besseres zu tun – erstens, weil es gefährlich war, sich mit den Persern in dieser Situation anzulegen, zweitens war er an der Nordgrenze des Reiches sattsam beschäftigt. Da Gallienus ein Mann mit vielen Talenten war, umgab er sich lieber mit seinem Harem an Geliebten. Salonina, die Mutter seiner drei Kinder – Saloninus, Valerianus und Marinianus – hielt er hoch (und distanziert). Im Unterschied zu den vielen Soldatenkaisern stammte Gallienus aus der Nobilität, der Oberschicht des Imperiums.

Das hinderte ihn nicht, seine Gespielinnen auf den Feldzug mitzunehmen, während Salonina brav zu Hause blieb – das raue Leben inmitten einer kriegerischen Auseinandersetzung wäre ohnehin nichts für sie gewesen. Da nahm er seine Haremsdamen mit, die waren ohnehin härter – außerdem hatten sie noch weniger zu sagen, als seine Frau. Sie mochte sich auch einen attraktiven Sklaven nehmen, der ihr vorsang und anderes mehr – aber das ist nicht verbürgt.

Wie überhaupt die Handlungen der Weiber viel weniger beachtet wurden, als jene der Männer, womit wir wieder bei Gallienus angelangt wären. In seine Regierungszeit fiel der Höhepunkt der Reichskrise des 3. Jahrhunderts. Dabei agierte er durchaus nicht erfolglos, was ihm Ehrentitel „Germanium Maximus“ und „Dacicus Maximus“ einbrachte. Gallienus konnte allerdings nicht verhindern, dass die Feinde tief in‘s Reich einfielen. Er schlug sie, wenn auch mit Mühe, zurück.

Er schickte seine Maitressen weg, als er Dame seines Herzens ansichtig wurde – eine markomannische Prinzessin, die vergessen worden war, wurde zu seiner zweiten Kebsfrau, aber das ist nicht sicher – zuzutrauen wär‘s ihm, zumal die „Ladys“ von Transdanubien nicht so zimperlich waren, wie seine Angetraute. Die Prinzessin (und das wusste nur er) fiel ihm gleich um den Hals, zog sich ohne weiteres aus, er detto ganz ungeniert. Und dann hatten sie wilden Geschlechtsverkehr. Wenn ich sage: Wilden Geschlechtsverkehr, dann meine ich richtig wilden Geschlechtsverkehr, von dem die an sich sexbesessenen römischen Adeligen nur träumen konnten.

Und dann ging es weiter in die Schlacht (da musste man schon eine eiserne Konstitution haben), Gallienus unterdrückte heimlich ein Gähnen, während die Legionen in den Kampf zogen. Das Kriegsglück verließ ihn niemals, im Gegensatz zu seinem Vater Valerianus, der ein unrühmliches Ende fand. Dabei war es manchmal arschknapp, aber es ging aber sich allemal aus.

ZWEITES KAPITEL

Wieder zurück in Rom. Gallienus brachte Arminia, so hieß die Prinzessin, die Latein gelernt hatte auf Grund eines langen Aufenthalts im Reich, auf einem seiner Landgüter unter und, nach einer letzten feurigen Nummer, versprach er bald wiederzukommen. Er müsste sich um seine Kinder kümmern – ja, um seine Frau, die fade Nocken.

Er führte das Imperium fortan von dort (von seinem Landsitz), wobei ihm Arminia beistand mit Rat und Tat. Sie machte sich unentbehrlich, was nicht auf die Zustimmung all seiner Berater stieß. Aber noch hatte Gallienus das Heft fest in der Hand – Arminia war in seiner Sicht der Dinge über jeden Verdacht erhaben.

Als er wieder fort musste, um die Franken zu disziplinieren, die an anderer Stelle die Integrität des Reiches grob verletzt hatte, nahm er sie einfach mit, damit sie vor der Willkür Saloninas nicht hoffnungslos ausgeliefert wäre. Diese Salonina war keineswegs das naive Früchtchen, als das manche sie sahen – rasend vor Eifersucht versuchte sie, ihr Territorium zu verteidigen. Dabei ging es nicht um den vorenthaltenen Beischlaf (das weniger, denn sie liebte Gallienus nicht, hatte ihn nie geliebt), sondern um Macht.

Auf dem Feldzug wurde am Tag gekämpft, in der Nacht aber gab Gallienus sich Freuden hin, wie sie aus seiner Sicht nur eine markomannische Prinzessin ihm bieten konnte. Die Diener, die das Essen aufgetragen hatten, verabschiedeten sich diskret und unter Verbeugungen – Gallienus und Arminia waren allein. Sie schlüpfte in etwas Bequemeres – wobei bequem kein Ausdruck ist, für das, was er zu sehen bekam: Sie hatte sich aus den Beständen der Marketenderin, die die Truppe begleitete, ein orientalisches Outfit gekauft, ein Hauch von Nichts – „Flatus nihili“.

Arminia reizte Gallienus mit aufrührerischen Gesten, die ihr die Marketenderin, die auch sexuelle Dienste anbot, in einem Schnellsiedeverfahren beigebracht hatte. Darunter war auch eine Art Bauchtanz, der Gallienus besonders aufgeilte. Wenn sie so sich auf den Bauch, die Hüfte oder das Gesäß konzentrierte, und doch umfasst der Tanz genauso Arme, Beine, den Kopf und mitunter die Brüste.

Er hielt es nicht mehr aus. Er schloss sich an – dabei kam es zu eher komischen Szenen, da er nicht die Eleganz aufwies, die Bauchtanz unumgänglich ist. Immerhin hatte er seine Kleidung abgelegt und da sah sie an diesem durchtrainierten Körper eine deutliche Ausbuchtung.

DRITTES KAPITEL

Nachdem die Franken mühsam und unter großen Verlusten der römischen Streitkräfte (der einzige Lichtblick war, dass beim Gegner die Einbußen noch höher ausgefallen waren) zurückgeschlagen schienen, konnten Gallienus und die Prinzessin wieder auf ihr Landgut einkehren. Dabei stellte sich heraus, dass Arminia ein wahres Sprachgenie erkennen ließ: Neben dem Markomannischen konnte sie auch noch das Fränkische, Alamannische, Juthungische und Suebische fließend sprechen, was für allfällige Verhandlungen von Vorteil sein mochte.

Damit begab sich Gallienus in immer stärkere Abhängigkeit von Arminia – was wäre, wenn sie sich als Spionin entpuppte, gleichgültig für wen auch immer. Gallienus wies solche Gedanken weit von sich – nicht nach dem, was sie bis jetzt erlebt hatten. Aber egal: Er hatte sich ihr auf Gedeih‘ und Verderb’ ausgeliefert – und sie enttäuschte ihn nicht. Der Beweis gelang ihr schon bald.

Sein eigener Sohn, Valerianus, zettelte – im Alter von fünfzehn Jahren – einen Aufstand gegen den Vater an. Da musste mehr dahinterstecken – der Junge war bestimmt nicht dazu imstande: Er vermutete, dass seine Mutter die Drahtzieherin war, abgesehen von der Tatsache, dass die Spur in‘s Reich der Franken oder in das der Alamannen führte. Sein Sohn und dessen Mutter hatten sich mit dem Feind verbündet!

Und da spielte Arminia eine entschiedene Rolle: Sie (als Germanin verständlicherweise unverdächtig) ließ sich Agentin der Franken und später der Alamannen anwerben, um herauszufinden, wer der Übeltäter war. Sie schleimte sich bei den jeweiligen Stammesfürsten ein schlief mit ihnen – das war der einfachste Weg, um rasch zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Das war der größte Liebesbeweis, den Gallienus von ihr fordern konnte, denn der Eine war alt und hässlich und der Andere jung und ebenso hässlich.

Es stellte sich heraus, dass der Alamannenhäuptling derjenige war, welcher. Arminia kehrte zurück und warf sich gleich in die Arme von Gallienus, um die begangene Schande loszuwerden. Der Kaiser führte einen raschen Vernichtungsschlag gegen die Alamannen, dass kein Stein auf dem anderen blieb – er mochte dabei an die Zerstörung Karthagos durch seine großen Vorgänger denken, nur es sich um etwas Kleinräumigeres handelte, als um das Fiasko einer Metropole.

VIERTES KAPITEL

Salonina und Valerianus wurden gemaßregelt. Sie durften den Kaiserpalast nicht mehr verlassen, waren also praktisch eingesperrt – Vertraute des Imperators hatten ein Auge auf sie. Für sie begann eine entsetzliche Phase der Isolation, auch jeglicher Kontakt zwischen ihnen Beiden war verboten. Salonina durfte ihre anderen Kinder nicht mehr sehen, und dasselbe galt für Valerianus – seine Geschwister waren für ihn tabu.

Die Lakaien des Kaisers hatten eine diebische Freude daran, Saloninas und Valerianus‘ Schicksal so unangenehm wie möglich zu gestalten. Dabei war es Gallienus‘ Wunsch gewesen, nicht voller Schärfe vorzugehen, doch da er sich weiter nicht darum kümmerte, konnten die Schergen ihre dubiosen Spielchen austragen.
Gallienus‘ Ziele waren ganz andere – das Römische Reich wieder in seiner alten Herrlichkeit erstrahlen zu lassen. Das war seine geheime Ambition, die er nur mit Arminia zu besprechen pflegte. Er hatte auch eine sehr banale Absicht, nämlich die Völkerschaften, die von Norden, Osten und Süden heranbrausenden Scharen einigermaßen in Schach zu halten, was ihm nicht immer gelang, um der Wahrheit die Ehre zu geben.

Während er die Träume von der Herrlichkeit und dem Strahlen vorübergehend ad acta legen musste, waren wenigstens die heranbrausenden Scharen nicht alle gleichzeitig unterwegs. Nachdem er im Norden die (wenn auch gespannte) Ruhe einigermaßen wiederhergestellt hatte, wandte er sich dem Süden zu. Hier hatte er nur bedingt Glück – Gallienus musste die Räumung mindestens eines südlichen Abschnitts des Limes Tripolitanus anordnen, was fatal war, denn die Verteidigung der fruchtbaren küstennahen Territorien der Provinzen war problematisch geworden.

Im Osten aber ging es – nach Valerians unrühmlicher Gefangennahme – wieder besser. Den Feldherren Macrianus und Callistus gelang es aber, die verbliebenen römischen Truppen zu sammeln und Schapur I. bei Korykos zu schlagen. . Die Perser zogen sich daraufhin hinter den Euphrat zurück.

Und das Ganze vollzog unter reger Teilnahme von Arminia, die immer live dabei war. Ähnliches galt für die privaten Intensionen von Gallienus – wie gesagt: unter dem Einfühlungsvermögen von Arminia. Er interessierte sich für griechische Lebensart, Kunst, Religion (als vorletzter Kaiser – der letzte war Julian – ließ er sich in die „Mysterien von Eleusis“ einweihen) und Philosophie – er stand in Kontakt mit Plotin – und versuchte offenbar eine bewusste Rückwendung hin zu den Formen des 1. und 2. Jahrhunderts. Seine Regierungszeit ist daher mitunter als „Gallienische Renaissance“ bezeichnet worden.