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ALICE – Leseprobe 1

Filled them with an in­describable intoxication.
Lawrence Durrell

1

Wenn Alice Brinkmann gut drauf war, dann war sie gut drauf – koste es, was es wolle. Sie ließ sich davon nicht abbringen, selbst wenn es ihr schlecht ging. Es war eine denkbar komplizierte Persönlichkeit, von der wir hier sprechen.

Es hatte sie noch kein Mann berührt, obwohl sie schon Mitte dreißig war. Es sei denn ihr Vater – aber das war eine ganz andere Geschichte. Sie war ein richtiges Papa-Kind, während sie ihrer Mutter mit zunehmender Distanz begegnete. Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch, jedes Kleinkind liebt beide Eltern unter normalen Umständen gleichförmig, aber im Alter von vierzehn, fünfzehn Jahren beginnen sich die Gefühle auseinanderzuentwickeln – jetzt erst im vorgerückten Alter.

Alice hatte eine fast toxische Beziehung zu ihrem Vater Udo Brinkmann – und der Alte spielte auf diesem Klavier bewusst oder unbewusst hervorragend. Das begann bereits damit, dass er sie in ein Realgymnasium steckte, während sie eher neusprachliche und musische Richtung bevorzugt hätte. Schon um der Mutter ein‘s auszuwischen, die Opernsängerin war und anderes im Sinne gehabt hätte. Er hörte sich zwar gerne ihre Aufführungen, spendete ihr Applaus, tat es eher um des häuslichen Friedens willen.

Das endete damit, dass Alice Architektur studieren musste – genau wie ihr Daddy. Der hatte zwar das Architektur-Studium absolviert, aber mit Ach‘ und Krach‘. Heute arbeitete er als besserer technischer Zeichner bei einem bekannten Architekten – unter ferner liefen.

Alice machte ihren Bachelor (6 Semester) und anschließend ihren Master (weitere 4 Semester). Dann begann sie ein Doktoratsstudium – sie entschied sich für „Technische Wissenschaften Raumplanung“. Sie lernte, fertige Skizzen an und recherchierte praktisch Tag und Nacht, bei Tag im Institut, bei Nacht zu Hause im stillen Kämmerlein.

Männer kannte sie quasi nur vom Hörensagen. Sie perhorreszierte die Kerle geradezu, bis auf ein Exemplar, einen schüchternen kleinen Studenten namens Matteo Blum, der unscheinbar sein Leben fristete. Dabei führte Alice zwischendurch kluge Gespräche mit ihm, denn gescheit war er ja, das musste der Neid ihm lassen, wenn er auch seine Intelligenz nicht vor sich hertrug. Er machte ihr schwache sexuelle Avancen, die sie gleich unterband durch unleidliches Verhalten. Sie strengte sich für ihren Senior an und da sie genug Ideen hatte, schloss ihr Studium als Zweitbeste ihres Jahrgangs ab.

Alice war bildschön, aber das hatte ihr Vater stets geleugnet und sie hatte es ihm geglaubt: „Du bist nicht so fesselnd, wie Du annimmst zu sein – andere sind viel attraktiver als Du!“, hatte er ihr eingeredet. „Was zählt, sind Deine intellektuelle Leistungen!“ – „Ja, Papa!“, hatte sie geflötet…

2

Valentina Lena Brinkmann ließ sich, als Alice ungefähr fünfunddreißig Jahre war, endlich scheiden und nahm ihren Geburtsnamen wieder an: Sterling! Unter diesem Label hatte sie ihre internationale Karriere gestartet: Valentina Lena Sterling! Udo Brinkmann hatte – unter Verweis auf irgendwelche Familientraditionen, die es nicht gestatteten, dass Frauen ihren Familiennamen beibehielten – seine Angetraute gezwungen, sich „Brinkmann“ zu nennen. Aber bei ihrem Künstlernamen war sie hart geblieben!

Kaum geschieden (und ausgezogen), nahm die Mutter Kontakt zur Tochter auf. Sie schilderte die Chancen, die sich international, auch auf dem Gebiet der Architektur (nebst der Musik) ergeben würden. Alice Brinkmann überlegte lange und gründlich die Optionen, die sich ihr boten – um schließlich doch bei ihrem Daddy zu bleiben.

„Du bist und bleibst ein Weichei!“, sagte Valentina. „Du wirst ewig an den Frackschößen Deines Vaters hängen. Du bist ein hoffnungsloser Fall!“

Sprach’s und verschwand erneut an die Met, an die Scala oder auch an die Staatsoper in Wien – ohne sich je wieder in der Börsegasse in Wien-Innere Stadt, wo seinerzeit ihr gemeinsames Zuhause war, blicken zu lassen. Alice und ihr Erzeuger blieben dort allein und man kann nicht behaupten, dass ihnen das besonders unangenehm war. Sie waren schon ein merkwürdiges Paar.

Alice bekam kleinere Aufträge (einen Villenneubau da und die Renovierung einer Wohnung dort), mit denen sie ihr Drauskommen hatte – und sie verdiente plötzlich im Schnitt mehr als ihr Vater, der auf die regelmäßigen Einkünfte angewiesen war. Was bei ihm einerseits zu Eifersucht, andererseits zu einem gewissen Stolz führte – wie gesagt, ein merkwürdiges Paar.

Es passte irgendwie dazu, dass Alice heimlich Gesangstunden nahm, nur um festzustellen, ob zumindest ein Teil des mütterlichen Talents auf sie übergegangen war. „Das ist streng vertraulich, das müssen Sie mir versprechen!“, sagte zu der pensionierten Sängerin, bei der sie diese Übungen absolvierte. „Insbesondre mein Daddy darf nichts davon erfahren!“

Die Diva im Ruhestand wunderte sich etwas, wieso eine Frau Mitte dreißig ihren Vater noch „Daddy“ nannte…

3

Alice und Udo, ihr Daddy, saßen abends vor dem Fernseher, wo das übliche langweilige Programm ablief. Da stach Alice plötzlich der Hafer und sie sich provokant hin, entledigte sich ihres konservatives Kostüm und darunter kam eine elegante Reizwäsche (schwarzer BH und ein schwarzer Stringtanga zu ebenfalls schwarzen halterlosen Strümpfen) zum Vorschein.

„Was soll das?“, fragte Udo indigniert. „Wo hast Du die Teile gekauft – warst Du in einem Sex-Shop?“

„Im Gegenteil, ich habe im ‚Velvet Dessous‘ zugeschlagen, an der vornehmen Adresse Stephansplatz, im Zwettlhof. Gefällt Dir nicht, was Du siehst?“ – „Darum geht‘s hier nicht – das ist schlechthin ungehörig, was Du da machst!“

„Ich sehe ganz deutlich, wie sich in Deiner Hose was wölbt! Was sagst Du dazu?“ – „Gekochte Scheiße!“, wurde er ordinär. „Ich sehe nichts derartiges…“

Alice versuchte, ihn bewusst zu provozieren – bis, ja bis er auch etwas sah. Die Tochter öffnete ihren BH und stand halbnackt vor ihm. Keine Reaktion. Sie provozierte ihn weiter, indem sie den Slip aufreizend ablegte. Da sprang Udo auf und wollte sich auf sie stürzen. Sie entzog sich ihm und stellte einen Fauteuil quer. Das brachte ihn richtig gegen sie auf.

„Keine Sorge…“, sagte sie, „… ich nehme die Pille, falls Du mich zu vergewaltigen versuchst! Da warte ich schon so lang darauf!“ Alice war ein Anblick für Götter mit halterlosen Strümpfen und sonst nackt.

Ihr Vater ging im Kontrast dazu ganz behutsam vor, schließlich war sie noch Jungfrau (das schätzte er und damit lag er richtig). Er brachte sich in die richtige Lage und los.

„Endlich!“, seufzte Alice, nachdem der Akt vollzogen war. „Das hat wohlgetan. Da möchte ich gar nicht mehr damit aufhören!“

Udo machte sie auf die begrenzte männliche Kapazität aufmerksam.