ALICE – Leseprobe 3
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Gesangstunde bei Amalia Adamina (das war die pensionierte Sängerin, bei der Alice Unterricht nahm – natürlich unter dem Siegel der strengsten Verschwiegenheit). In ihrem Werbetext hieß es:
„Bist Du daran interessiert, Dein stimmliches Instrument besser zu verstehen und Deine Gesangsfähigkeiten zu verbessern? Es kann sehr befreiend sein, sich mit der Stimme auszudrücken, und ich strebe danach, meinen Schülerinnen und Schülern zu helfen, die Möglichkeiten ihrer Stimme zu entdecken! Mit einem Fokus auf individuelle Lösungen biete ich meinen Schülerinnen und Schülern die notwendige Aufmerksamkeit und Anleitung, um ihr volles Potenzial zu entfalten.
In meinem Unterrichtsansatz fließen Erkenntnisse aus meiner beruflichen Erfahrung als Opernsängerin, meinem Hintergrund in Studien in Musikpädagogik und Vokologie ein. Besonders durch mein Studium in Sprachtechnik und Stimmwissenschaft habe ich auch Einblicke in die Physiologie, Anatomie und Akustik der Stimme, die ich in meinen Unterricht einfließen lasse.“
Alice legte gleich los. Sie sang die Tonleiter ‘rauf und runter: „Do – re – mi – fa – da – sol – la – si – do – si – la – sol – fa – mi – re – do!“
Ihr Gesang fand für‘s erste nicht uneingeschränkte Anerkennung. „Du musst bereits die Skala von Tönen Dein ganzes Gefühl hineininterpretieren – sonst wird das nichts!“
Alice stockte der Atem. Dann begriff sie langsam, wie das gemeint wäre. Sie sang: „Doho – reho – mina – fana – dana – sol – lamo – sima – domo – sima – lasa – sol – fasa – mide – rena – do!“ – „Schon besser!“, bemerkte die Lehrerin.
8
Udo Brinkmann suhlte in seinem Leid mit der Karriere seiner Ex-Frau und neuerdings auch mit der beginnenden internationalen Karriere seiner Tochter. Er fragte zum wiederholten Mal, warum SIE und ER nicht.
Er träumte davon, sich Valentina völlig untertan zu machen. Sie musste die ganze Zeit nackt herumlaufen, damit sie sich nicht heimlich davonstehlen könnte. Und sie musste ihm seine Lieblingsgerichte zubereiten (was ihr ein Gräuel war, denn sie hatte überhaupt kein Talent zum Kochen) – und wehe, dabei ging etwas schief, was an der Tagesordnung war.
Dann legte sie – sage und schreibe – über‘s Knie und züchtige sie mit den Worten: „Hast schon wieder einen Fehler gemacht. Ich kann das besser, aber ich lege Wert darauf, dass Du es lernst!“ – Und musste sie in seinem Hirngespinst zugeben: „Ja, Meister, ich werde mich bessern!“
Dann musste Valentina (wie gesagt, unbekleidet) eine zeitlang Staub saugen, was ihr genauso zuwider war wie das Kochen, aber dabei konnte nicht soviel schiefgehen. Udo beobachtete sie genau und wenn es ihm überkam, dann vergewaltige er sie in seiner Illusion – obwohl das nicht unbedingt nötig gewesen wäre, denn so fremd waren sie nach wie vor nicht.
Für Alice hatte er in seiner Fantasievorstellung eine besondere Rolle zugedacht. Da er sie in der Praxis bereits „genossen“ hatte (wenn auch nur ein einziges Mal) ließ er sie unbedeckt stehen, bis sie nicht mehr konnte und flehte: „Lass‘ mich doch niedersetzen – um Himmels willen!“ Udo allerdings stützte sie unter den Armen, aber er erlaubte es ihr nicht, sich hinzusetzen –
– bis sie ihm leibhaftig gegenüber und sagte: „Hast Du einen idyllischen Traum gehabt – Du bist eingeschlafen gewesen!“
9
Valentina Lena Sterling kümmerte sich derlei nicht. Sie feilte weiter an ihrer Karriere und da war Tokio als nächste Station auf ihrem Programm. Sie sang im „Opera Palace Tokyo“ die Cio-Cio-San in Puccinis „Madama Butterfly“ – tosender Applaus bei ihrem Debüt war ihr sicher.
Anschießend ließ sich einer der Premierengäste bei ihr melden. Ihr dortiger Impresario war ganz aufgeregt – bei dem Besucher handelte es sich um Seiji Yamamoto, dem Oyabun der Yakuza-Netzwerke zwischen Niigata und Okayama. Den durfte man auf keinen Fall verärgern – was die Sterling auch nicht vorhatte zu tun. Er entpuppte sich als höflicher und umgänglicher Gespächspartner, der ihr großes Lob für ihre Sangeskunst aussprach. Sie hatte sich gleich in den fremdländischen Herren verliebt.
Und als er sie zu sich in seine Privatgemächer (wo immer sie auch sein mochten) einlud, sagte auf der Stelle zu. Es ging nach Kyoto in seiner Luxuslimousine, wo sie nach 2 1/4 Stunden eintrafen. Sie traten in einen feudalen Palast ein, wo sie von einem diskreten Diener empfangen wurden, der sie in den Esssaal geleitete.
Seiji (sie durfte ihn mittlerweile so nennen) ließ ihr Shio Ramen servieren, eine Brühe auf Basis von Hühnchen-Fleisch – „Etwas Leichtes, für kommende Genüsse!“, kommentierte der Oyabun. Dann entkleidete er sich, und Valentina sah, dass er über und über mit Tattoos bedeckt war – nur Kopf, Hände, Füße und Genitalbereich waren frei.
Seiji bat auch Valentina, nackt vor ihm zu stehen. Und dann erlebte sie einen Rausch der Sinne, wie er ihr noch nie vorher zuteilgeworden war. Der Oyabun sparte nicht mit einer raueren Gangart – das hätte sie sich bei einem europäischen Geliebten wohl verboten. Er verzierte ihren Rücken mit einem kleinen Tattoo, zum Andenken daran, dass sie von nun dazu gehörte. Es handelte sich um einen Schwan…