ALICE – Leseprobe 5
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Alice genoss den Ruhm, den ihr das erfolgreiche Projekt eingebracht hatte – obwohl die Realisierung das letzte Hemd kostete, aber das verriet sie niemanden. Ihre Ersparnisse waren aufgebraucht, ja, sie musste sich heimlich einen Kredit aufnehmen – zu mörderischen Konditionen. Ihren Vater wagte sie nicht zu fragen, denn dann wäre das internationale Renommee zusammengebrochen. Das konnte sie sich kein zweites Mal leisten – es sei denn mit einem größeren materiellen Ergebnis.
Jetzt brauchte Alice einmal dringend Urlaub – koste es, was es wolle. Dem Vater sagte sie nichts (immerhin wohnte sie noch zu Hause in der Börsegasse) – sie schlich sich davon, während er noch bei der Arbeit war. Ihr Ziel war Dubai und weiter in den Oman!
Das konnte sie sich überhaupt nicht leisten, aber das war ihr egal – sie hatte ihr Konto bis zum Anschlag überzogen. Im Urlaub wollte sie sich mit solchen Nebensächlichkeiten nicht beschäftigen. Dafür war sie nicht so weit gereist!
Sie ging in Dubai in eines der vielen Einkaufszentren, und zwar in eines der kleineren, in die „Dubai Festival City Mall“, wo sie sich ein ausgiebiges Mittagessen gönnte. Kaufen war Fehlanzeige – mit Rücksicht auf ihre angespannte Finanzlage. Dafür lernte sehr netten Mann kennen.
Jetzt muss man sich kurz mit Alice‘s Aussehen beschäftigen – sie war (ein Erbteil ihrer Mutter) traumhaft schön! Der Vater hatte behauptet, sie wäre nicht so fesselnd wie sie glaubte und hatte ihre intellektuelle Leistungen im Vordergrund gesehen. – „Ja, Papa!“, hatte sie geflötet, aber ihm das nicht abgekauft. Sie hatte zwar auch Grips, daneben auch eine paradiesische Ausstrahlung! Sie war blond, nicht natürlich zwar, aber das hatte sie geschickt verborgen!
Der nette Mann war ein Scheich – zufällig aus dem Oman gebürtig -, der nur zum Einkaufen nach Dubai gekommen war. Als er hörte, dass sie in seine Heimat fahren wollte, bot er spontan an, sie im Auto mitzunehmen – wobei ihre Haarfarbe eine gewisse Rolle spielte.
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Udo Brinkmann war völlig aufgelöst – seine Tochter war verschwunden! Er telefonierte hin und telefonierte her, ohne Ergebnis – schließlich adressierte er die Polizei. Die ließ ihn aber kalt abblitzen, als er mit ihrem Alter daherkam: fünfunddreißig!
„Vielleicht gehen Sie ihr auf die Nerven!“, sagte der Beamte zynisch. „Und sie will einfach nichts mehr mit Ihnen zu tun haben!“
Udo wandte sich zuletzt an Valentina – nicht gern zwar, gar nicht gern. Er erreichte sie auf der Heimreise von Südamerika nach London, wo sie im „Royal Opera House“, Covent Garden, die Mrs. Alice Ford in der Verdi-Oper „Falstaff“ verkörpern sollte. Valentina wusste ebensowenig Bescheid, und wenn es gelogen war, war es gut gelogen. Hier kam er nicht weiter – eine Sackgasse.
Er war sich zunehmend bewusst, dass er weniger sein Kind suchte, als vielmehr seine Geliebte. Diese Erkenntnis war in gewisser Weise niederschmetternd, aber nicht nur – die Süße der verbotenen Beziehung gewann immer stärker an Gewicht. Umso mehr war er halb wahnsinnig ob des Verschwindens von Alice.
Das wirkte sich eskalierend auch auf seine Arbeit aus. Er machte immer stärker gravierende Fehler. „Wenn Sie verliebt sind, sagen Sie es!“, sagte ein verständnisvoller Chef. „Dann werden Sie erleichtert sein!“
Udo Brinkmann leugnete standhaft eine Liebschaft – aus naheliegenden Gründen. Der Boss wurde langsam ungeduldig: „Wenn‘s nicht das ist, dann machen Sie Ihre Arbeit! Sonst muss ich Sie entlassen!“
Udo riss sich am Riemen. Alice blieb verschwunden – er wusste nicht, wo in der weiten Welt er sie noch suchen sollte.
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Alice war mit ihrem Begleiter über steile Bergstraßen in den Oman vorgedrungen. Der Scheich war seit langer Zeit Witwer, eigene Kinder gab es nicht, daher verwöhnte er seine Nichten mit Parfums, die er soeben in Dubai gekauft hatte. Das erfuhr Alice schrittweise während der doch langen Fahrt.
Er lud sie ein, in seinem palastähnlichen Landsitz außerhalb der Hauptstadt Muskat Logis zu nehmen – in allen Ehren selbstverständlich. Das war ihm wichtig. Er bewirtete Alice mit Hummus, Baba Ganoush, Taboulé und dem unvermeidlichen Kabsa, einem besonders schmackhaften Gewürzreis-Gericht mit Fleisch, Nüssen, Trockenfrüchten und Gemüse.
Mitten in der Nacht konnte Alice nicht schlafen und begab sich in die Räume des Scheichs, auf der Suche nach Abenteuern. Sie hatte sich noch nie jemandem hingegeben außer ihrem Vater – sie war von unbändiger Lust erfüllt nach dem Sex mit jemandem Anderen. Egal wer es war…
Der Scheich schreckte auf und ergriff seine Pistole, die er unter dem Kopfkissen verbarg. „Willst Du mich erschießen, eine nackte Frau!“ (denn das war ihr augenblicklicher Zustand). „Ich habe keine Waffe bei mir – wie ersichtlich!“
„Du kannst dennoch eine kleine Waffe versteckt haben – in Deiner ‚Kus‘!“ Er lächelte bei diesem Gedanken. Kus bedeutet Muschi. „Jetzt werde ich Dir aber zeigen, was man mit so einem Schießeisen noch anstellen kann.“
Er hantierte gefährlich mit seiner Waffe an ihrem Bauch, steckte ihr schließlich die Pistole in die Vagina und drückte ab. Alice fand sich schon in den ewigen Jagdgründen wieder. Jetzt war es aus!
„Die Waffe ist nicht geladen!“, lachte er. Sie fiel aus allen Wolken. Die Erfahrung war für sie einzigartig…