AKIKO YAMAMOTO – Leseprobe 4
10
Nun ging es überstürzt zum nächsten Fall. Akiko war inzwischen draufgekommen, dass die Aufträge von einer geheimnisvollen Instanz erteilt wurden – und zwar weltweit, wenn die lokalen Behörden nicht weiterkamen. Und dass das P.R.-Geschäft nur zur Tarnung diente. Sie würde es noch genauer herausfinden, was das für eine höherrangige Stelle es war, von der Agatha ihre Orders kriegte.
Amerika, im Konkreten Atlanta, Georgia, war ihr neues Ziel. Dort trieb sich in der Umgebung, im Ormewood Forest, ein Serienmörder herum, der schon viele Opfer auf dem Gewissen hatte. Er feuerte aus großer Distanz (mindestens sechshundert Meter und mehr) auf seine „Beute“ und war schon längst wieder dahin, wenn die Polizei vor Ort auftauchte.
Als Agatha Collins und Akiko Yamamoto dort aufkreuzten, stießen bei den Offiziellen nicht gerade auf Gegenliebe – was sollte das, eine Europäerin und ein Schlitzauge aus Japan? Aber das half alles nichts, die einheimischen Dienststellen waren völlig blank – also mussten die ausländischen Figuren an die Sache herangehen. Agatha bat Akiko, im Hintergrund zu bleiben und ihren Einsatz abzuwarten – was diese hocherfreut zur Kenntnis nahm. Erstens, weil ihr die ganze Angelegenheit grundsätzlich neu war, und zweitens, weil es ihr vorkam, dass ihr japanisches Aussehen sie noch verdächtiger machte, als dass bei ihrer europäischen Kollegin der Fall war.
Die Collins streunte in der „Ranger Station“, einer Bar im Forest, herum. Sie war auf der Suche nach einem „Date“, so bezeichnete man damals die Prostitution – günstigerweise mit dem Killer, dem sie auf diese Art auf die Spur kommen wollte. Er zeigte sich lange nicht – das bedeutete, dass sie eine Menge Kerle über sich drüberlassen musste. Mit ungewissen Ausgang.
„Jetzt ist aber genug!“, fuhr Akiko dazwischen. Sie machte sich langsam Sorgen um Agathas Gesundheit, aber diese wollte es durchziehen.
11
Mittlerweile kam ein neuer Auftrag von jener geheimnisvollen Stelle, von der Akiko nach wie vor noch nichts Näheres wusste. Jetzt hieß es Gas geben und den vorherigen zu Ende bringen. Allein, da war guter Rat teuer – das gewünschte Ergebnis war scheinbar in weite Ferne gerückt.
Aber da griff Akiko ein, die es schon nicht mehr ertragen konnte, wie Agatha sich verschließ. Sie hatte beobachtet, wie ein einsames Frauenzimmer sich still einer Ecke der „Station“ wie angewurzelt dasaß, von Zeit zu Zeit, unter Mitnahme eines Rucksacks, verschwand, um dann wieder ihren Platz einzunehmen.
„Darf ich Ihren Rucksack untersuchen?“, sagte Akiko und zeigte ihren provisorischen Dienstausweis, mit dem Agatha und sie ausgestattet worden waren. Die Angesprochene leistete keinen Widerstand. Sie führte ein zerlegbares Präzisionsgewehr mit sich, Zieleinrichtung inklusive. Sie wurde von den örtlichen Sheriffs abgeführt.
Am nächsten Morgen, kurz bevor sich Agatha und Akiko nach Ägypten, ihrer folgenden Destination, besuchten sie noch einmal die Delinquentin im Gefängnis, um etwas über die Motivation herauszubekommen. Die Beschuldigte schwieg eisern – ob sie sich dadurch einen Vorteil für die anstehende Gerichtsverhandlung erhoffte, blieb vorerst unklar. Auf jeden Fall hatte sie einen Verteidiger gefunden, der sie „pro bono“ vertrat, nur um des Renommee willen, der eine solche Causa versprach.
Die Collins bedauerte, dass sie sich vergeblich dieser Tortur ausgesetzt hatte. – „Ganz unschuldig bin ich nicht an den Vorgängen – hätte ich mich nicht zurückgelehnt, wie wenn die Sache nichts anginge, wäre das nie passiert!“, sagte Akiko. – „Schwamm drüber! Wir werden noch in genügend Situationen geraten, wo sich unkonventionelle Aktionen (um es einmal so auszudrücken) nicht vermeiden lassen!“
Die beiden Schnüfflerinnen waren unterwegs in den Nahen Osten. Akiko hatte mittlerweile herausgefunden, dass Agatha ihre Befehle von einer Organisation mit dem Namen „S.W.P.P.C.“ entgegennahm, aber sie wusste nicht, was sich hinter diesem Kürzel verbarg. Sie würde das schon noch klären – das war immerhin ein Anfang.
12
„Marhaban ya jamilati! – Hallo, meine Schönen!“ Das war ein Empfang in Alexandria – herzlicher hätte man sich ihn kaum verstellen können!
Oder waren die lokalen Kräfte ganz froh, dass die Verantwortung für ein allfälliges Scheitern gleich von vornherein auszuschließen war – ganz im Gegensatz zu ihren bisherigen Erfahrungen, wo die heimischen Behörden nicht begeistert waren und kräftig gemauert hatten. Das war diesmal ganz anders: Der ägyptische Staatspräsident Abdel Fatah El-Sisi (als er noch nicht Staatschef war), fackelte nicht lange herum – nachdem seine Einheit im Zuge der Revolution in Ägypten 2011 etwa zwanzig Demonstrantinnen vom Tahrir-Platz verschleppt hatte und sie zu einer demütigenden Jungfräulichkeitsuntersuchung gezwungen hatte, verteidigte El-Sisi das Handeln des Schlägertrupps gegenüber Medien, man habe Vergewaltigungsvorwürfen entgegentreten wollen.
Da wollte die lokale Verwaltungsebene gar nichts damit zu tun haben – denn das hieß „Rübe ab“, so schnell konnte man gar nicht schauen. Und beginnen tat man immer bei den Kleinsten, bevor man sich in die höheren Ränge vorarbeitete. Da war es gar nicht unangenehm, dass El-Sisi gleich auswärtige Hilfe holte, in Form von „S.W.P.P.C.“, wobei der Name der Abkürzung für Akiko nach wie vor rätselhaft war.
Tatsache war, dass ein Staatssekretär im ägyptischen Verteidigungsministerium ein vertrauliches Dossier mit nach Alexandria in sein privates Quartier genommen hatte, was an sich streng verboten war. Prompt war es ihm gestohlen worden!
Er versuchte, es so lang wie möglich geheimzuhalten, aber dann von auf unerklärbare Weise von „S.W.P.P.C.“ an Agatha der Befehl aktiv zu werden – Akiko selbstverständlich miteinbezogen. Während Akiko die Aufgabe zufiel, den Staatssekretär, der hochgradig nervös war, zu beaufsichtigen, war es an der Zeit, die von „S.W.P.P.C.“ gegebenen drei Tipps nachzugehen. Von denen war einer gefährlicher als der andere…