AKIKO YAMAMOTO – Leseprobe 7
19
Und dann waren Akiko und Sakura unterwegs nach Tokio, genauer gesagt, nach Roppongi, dem pulsierenden Herzen Tokios, einem Zentrum globaler Unterhaltung. Dort hatten sie einen Termin im „Tantra Tokyo Burlesque Show Club“, der die Bedingungen für einen Auftritt der Beiden abklären sollte.
„Ganz verstehe ich es grundsätzlich nicht: Akiko Yamamoto ist Extrem-Taucherin (von der wir uns aktuell noch überzeugen müssen), aber Sakura Takumi, welche Rolle soll sie eigentlich spielen!“, sagte der Manager des Clubs.
„Sie ist meine Assistentin. Das sollte für den Moment genügen! Lassen Sie mich nur machen!“, sagte Akiko. Sie verlangte frech, dass sie ein ein Meter im Quadrat mit einer Höhe von zehn Metern zur Verfügung gestellt wurde! – „Kein Problem! Dafür sind wir schließlich hier!“, antwortete der Mann zynisch.
„Was das betrifft – Sie bekommen auch eine Menge zu sehen!“
Gesagt – getan. Die Arbeiter bauten widerspruchslos das von Akiko Gewünschte auf, obwohl das gar nicht so einfach war, aber der Clubmanager – der selbst neugierig geworden war, was er da zu sehen kriegen sollte – trieb die Malocher und Malocherinnen zu Höchstleistungen an. Und dann, als alles fertig war, traten die Darstellerinnen in ihren Fundoshis auf, barbusig, aber das traditionelle Kopftuch nicht vergessend. Japanische Menschen sind nicht prüde wie die Europäer und Europäerinnen oder gar die Amerikaner und Amerikanerinnen, und so fahnden sie nichts dabei, die Fundoshis von Akiko und Sakura zu bewundern.
Bei der ersten öffentlichen Aufführung kam aber dann der Urknall – die Yamamoto verhüllte ihr Gesicht und tauchte blind unter – und hatte sie in kürzester Zeit jegliche Orientierung verloren. Und da war klar, wozu sie ihre Assistentin benötigte: Sakura konnte zwar bei weiten nicht so tief tauchen wie Akiko, aber sie war imstande, einen letzten entscheidenden Klaps zu geben, und ihr die Richtung vorzuzeichnen.
20
Das Resümee war überwältigend und sofort grenzüberschreitend – man hatte den Eindruck, dass sämtliche Weltgegenden (mit Ausnahme vielleicht von Afghanistan und sonstigen entlegenen Destinationen) auf einmal aufmerksam geworden waren. Aber Akiko und Sakura waren trotz der Verlockungen des freien Marktes diesen zu widerstehen und den Vertrag (so ungünstig er angesichts der jüngsten Entwicklungen auch sein möchte) zu erfüllen – Noblesse oblige!
Und außerdem hofften sie, den Preis für ihre Performance noch weiter hinaufzutreiben – das war ihr insgeheimer Plan. Der Deal war auf drei Monate abgeschlossen worden, was aus damaliger Sicht äußerst großzügig erschien. Wer hätte einen solch durchschlagenden Durchbruch des Projekts erahnen können.
Und sie spulten es herunter, wurden immer professioneller und kompetenter – dreimal am Tag, von Montag bis Sonntag durchgehend, die letzte Vorstellung begann um zwei Uhr morgens. Da mussten Akiko und Sakura ihre bisherigen Lebensgewohnheiten gehörig umstellen, Sie brauchten nur das, was sie normalerweise bei Nacht taten (nämlich sich ausgiebig zu lieben), auf den Tag verlegen.
Eins muss man auch noch erwähnen – Akiko wurde verlor (zum Glück vom Publikum umbemerkt) kurzfristig das Bewusstsein. Angenehmerweise in einer Tiefe, die für Sakura noch erreichbar war. Sie rettete ihre Freundin, indem sie sie langsam barg – an der Oberfläche hatte Akiko ihre Besinnung wieder. Sie lächelte einigermaßen gequält, aber das war die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht sichtbar – sie konnten aus der Ferne nur ihr strahlendes Gesicht sehen.
Sakura nahm die Yamamoto rasch aus der Schusslinie, indem sie Beide hinter einem Vorhang verschwanden. Das Auditorium tobte und verlangte, dass sie sich erneut zeigen würden – aber für diesmal vergeblich…
21
„Wie geht‘s mit uns weiter?“, fragte Sakura plötzlich und unerwartet – sie auf einmal Zukunftssorgen, die sie nicht imstande war, beiseite zu schieben.
„Wenn Du das persönlich meinst, da kann ich Dir keine Auskunft geben – wie in jeder heterosexuellen Beziehung ist der Ausgang offen – Punkt aus! Wenn Du aber die soeben anlaufende Karriere als Power-Paar meinst, da kann ich Dir glänzende Perspektiven versprechen!“, sagte Akiko.
„Aber was ist, wenn Dir das von soeben wieder passiert?“ – „Ich habe noch nie ein derartiges Blackout erlebt. Ich hoffe, dass mir das nicht so schnell wieder zustößt!“ – „Und was, wenn doch!“ – „Lassen wir die Dinge an uns herankommen…“
Akiko empfahl Sakura das nicht zuletzt deshalb, weil sie durchwegs so verschieden waren – Akiko die Draufgängerische und Sakura die zurückhaltende Lehrerin, die sie in der Tiefe ihrer Seele noch immer geblieben war. Trotz dessen, was mittlerweile geschehen war, und der Übungen, die sie inzwischen erfolgreich und in relativ kurzer Zeit absolviert hatte. In Wirklichkeit war die Takumi eine gespaltene Persönlichkeit geworden und damit wesentlich komplexer als zuvor – egal, ob ihr das gefiel oder nicht. Es war einfach so!
Inzwischen genoss sie immer mehr dieses Laissez-faire, dieses In-den-Tag-hineinleben – von der Lehrerin war nicht mehr viel übrig. Und da vergnügte sie sich zunehmend an ihrer privaten Beziehung, bei der sie die Initiative ergriffen hatte. Akiko nahm‘s gelassen.