KALEIDOSKOP – Leseprobe 15
Kapitel 43
Anneliese war allein unterwegs – eine durchaus heikle Mission führte sie nach Dubai. Sie stieg im Hilton Dubai Creek Hotel ab, von wo man einen herrlichen Ausblick auf sogenannten „Creek“ hatte, einer Ausbuchtung des Persischen Golfs (die Araber nennen es vorzugsweise „Arabischer Golf“). Anneliese hatte keinen Sinn für derlei Spitzfindigkeiten, sie musste sich auf ihre Aufgabe vorbereiten – und das war gar nicht einfach, als Frau in dieser extrem maskulinen Gesellschaft.
Da hieß es aufpassen, damit sie sich womöglich keine Blöße gab – apropos Blöße, sie hatte entsprechend diesem Anlass einen schwarzen Hosenanzug gewählt, anstelle der mehr freizügigeren Erscheinung in Europa. Die verfügbaren Männer (und es waren nur Kerle zugegen) zeichneten ihre Kurven nach, die sich unter dem Stoff erkennbar waren – weiß der Himmel (oder besser Allah), was sie sich dabei vorstellten. Dabei konnte sich Anneliese gar nicht im entferntesten ausmalen, welche abgründigen Phantasien sie bewegten – da mochte auch der eine oder andere sadistische Traum durch die Gehirne geistern.
Anstößig genug war jedenfalls der Hosenanzug, zumindest in dieser Umgebung. In der Regel tragen Frauen außer Haus die Abaya, ein kaftanartiges Überkleid, das über der normalen Kleidung getragen wird, aber keinesfalls Hosen, bei denen man den Schritt erahnen konnte. Und noch eins – das blonde Haar, das von keinem Hijab (das ist die traditionelle arabische Kopfbedeckung) gebändigt wurde.
Die Anwesenden waren affengeil auf diese Haarfarbe, was in der Bezeichnung „eahira“, zu Deutsch „Hure“, niederschlug. Anneliese konnte zwar etwas Arabisch – „alsaadat almuhtaramun! yawm jayid!“ (das heißt: Meine Herren! Guten Tag!), aber weiter ging‘s nicht, und das hatte sie von einem ägyptischen Länderbank-Kollegen aus dem Auslandssekretariat übersetzen lassen. Ein Gebot der Höflichkeit – der eigentliche Vortrag war in englischer Sprache abgefasst. Und da kam schon gar nicht „eahira“ vor…
Die „Herren“ hingen an ihren Lippen, nicht vielleicht, weil sie das Referat wirklich interessierte. Sie zogen Anneliese im Geist aus – die wahren Entscheidungen hatten die Hintermänner schon längst getroffen: Sie kauften Länderbank-Aktien und die Papiere ausgesuchter Industrieunternehmen sowie eine eigens für diesen Zweck aufgelegte Anleihe. Ihre Informationen hatten sich die wahren Drahtzieher ganz woanders hergeholt – da konnte sich das Mädel den Mund fusselig reden, wie es wollte.
Als der Vortrag endlich vorbei war, drängten sich die Männer rund um Anneliese, und zwar so knapp, dass sie die weit aufgerichteten Penisse unter der Dishdasha (dem altherkömmlichen weißen Überkleid der männlichen Araber) spürte. Ungeniert attackierten sie sie – Stichwort „eahira“! Das würden sie sich bei ihren Angetrauten schwerlich erlauben oder doch? Wer mochte diese exotischen Burschen schon verstehen.
Bevor die Situation explodierte, suchte Anneliese das Weite. Im Hotel angekommen, rief sie sofort Waltraud an – um Hilfe flehend. Diese setzte sich in‘s nächste Flugzeug. Zu diesem Zweck nahm sie sich Urlaub – Julian Lennard würde die kurze Zeit allein zurechtkommen, außerdem war das eine gute Gelegenheit, sich zu profilieren.
Anneliese rührte sich nicht aus ihrem Zimmer – die Mahlzeiten ließ sie sich dorthin servieren. Sie erwartete ihre Cousine bereits sehnsüchtig und leidenschaftlich. Zu zweit würden sich einigermaßen behaupten können, zumal der offizielle Anlass beendete war. Sie waren gleichsam in den Ferien, und genossen die Annehmlichkeiten, die das Leben im Orient bot.
Kapitel 44
Das Erste, was Anneliese auffiel, war, dass Waltraud gemècht war, blond und braun – ihre kurzen Haare hochaufgesteckt. Das hatte ihre Freundin noch nie gesehen, aber es gefiel ihr so sehr, dass sich Beide die Kleider vom Leib rissen und in Form der bewährten Löffelstellung ineinander versanken.
Dann hatten sie einen Mordshunger. Da es mitten in der Nacht war, erhofften sie sich nicht viel – aber weit gefehlt, das Service war vierundzwanzig Stunden in Betrieb, und sie konnten sich bestellen, was immer sie wollten. Als die Speisen aufgetan wurden, empfingen sie die Bedienung in den hoteleigenen Bademänteln. Der Boy, der das Bestellte brachte, wusste gar nicht, wo er hinschauen sollte, so sehr gaben sich die „‘iimra’at shaba (Fräulein‘s)“ allzu freizügig – in der gesicherten Atmosphäre der Unterkunft. Der „walad (Junge)“, der schon längst wieder weg sein sollte, blieb wie angegossen stehen.
Anneliese und Waltraud hatten Mitleid mit Osman, so hieß der Knabe. Sie baten ihn, seinen Kaftan abzulegen. Darunter hatte er – nichts. Sein Penis stand weit weg, kerzengerade – die „‘iimra’at shaba“ erlaubten ihm, dass er ungehindert auf die Fliesen abspritzen durfte. Er brachte es zweimal hintereinander zustande, eins für des eine Mädel, und zwei für das zweite. Er keuchte und fragte, ob er sich niedersetzen durfte. Die „‘iimra’at shaba“ gestatteten ihm das, unter der Bedingung, dass er unbekleidet bleiben sollte – da hatte er überhaupt kein Problem damit.
Osman stürzte auf den Rest der Mahlzeit, dessen was Anneliese und Waltraud übriggelassen hatten. Sie sahen tihm interessierter zu, wie er wild durcheinander die Speisen verschlang, bis nichts mehr vorhanden war. Da hüllte er sich wieder in seinen Kaftan und verschwand, genauso wie er gekommen war. Die beiden Mädels lachten schallend.
Kapitel 45
Margaretha mühte sich mit ihrem Franz ab. Er hatte sich inzwischen wieder beruhigt und hörte genau auf ihre Anweisungen. Sie hatten Sex miteinander, erst ganz zart. Dann wagten sie sich an härtere Gangarten heran, wobei Franz die Initiative bereitwillig Margaretha überließ – zum ersten Mal in seinem Leben. Ihm gefiel es plötzlich.
Auch Margaretha fand immer stärkeren Gefallen an der Situation. Während sie im wahrsten Sinne unterdrückt worden war – er hatte es nicht zugelassen, dass sie obenauf zu liegen kam -, stand es ihr frei, zu machen, was ihr beliebte. Was war das für ein Gefühl, ihn zu kujonieren, indem sie seine Hände – entgegen der bisherigen Gepflogenheit – niederhielt. Sie genoss es, zum ersten Mal in ihren Leben Oberwasser zu haben.
Margaretha wurde mit der Zeit immer wilder – anders als es der Arzt ihr empfohlen hatte – und immer zügelloser. Sie nahm keine Rücksicht und sei es, dass ihr Patient einen zweiten Myokardinfarkt erleiden würde. Nichts davon passierte tatsächlich – Franz ließ sich das wohl gefallen, die Passivität stand ihm fraglos an. Er suhlte sich geradezu in der neuen Rolle – und dann machte Margaretha etwas sehr Ungewöhnliches: sie erhob sich, stellte sich vor ihn hin (nackt, wie sie war) und tanzte für ihn. Da sie noch in Schuss für ihr Alter war, stellte sich bei Franz eine neuerliche Erektion ein.
Er sprach mit ihr und teilte ihr seine geheimsten Bedürfnisse mit (was er bis dato nicht gemacht hatte). Margaretha tat desgleichen (was sie bis dato nicht gemacht hatte). Und so waren die Beiden in schöner Einmütigkeit unterwegs – was sie in den langen Jahren ihrer Zweisamkeit bis jetzt (tunlichst?) vermieden hatten. Das Eis war gebrochen. Und so bouncte siei für ihn, immer orgiastischer, bis sie auf‘s Bett fiel, an seine Seite.
Und dann passierte lange nichts.
Margaretha raffte sich auf und fragte: „War das nach deinem Geschmack? Ich fand tiefste Befriedigung darin – hoffentlich war‘s für dich genauso erfüllend!“ – Er grunzte als Antwort nur vor sich hin.
Damit war auch der Herzinfarkt abgehakt – von Stund‘ an wurde er nicht mehr erwähnt, so als ob es ihn nicht gegeben hätte. Margarethas und Franzens Liebesleben war auf eine völlig neue Basis gestellt – zum ersten Mal in beider Existenz, wenn man mir diese hochtrabende Bemerkung gestattet ist.