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UNENDLICHE WEITEN – Leseprobe 6

Einundzwanzigster Abschnitt

Admiral Kurylenko machte sich mit seiner Crew (darunter Pak Sang-Ook, der das Versprechen abgenommen worden war, sich nicht mehr auszuziehen – ein Versprechen, das sie nie halten würde, dank Ψ) erneut auf den Weg zu den Mitgliedern des „Rates der konföderierten Planeten“. Vielleicht hatten sie mehr Glück als beim ersten Mal, wo die (nennen wir einmal) Ernsthaftigkeit zu wünschen übrig gelassen hatte. Die Reise begann mit der Sacsayhuamán-Kultur als einem friedlichen Volk, mit dem der Admiral durch seine Frau eng verbunden war und mit dem es füglich keine Probleme geben sollte – eher im Gegenteil.

Symphorosa hatte Sehnsucht nach ihrer Mutter Symphorosa I., der Obersten Gebieterin, obwohl sie das mit Rücksicht auf Mischa, dem Admiral, niemals laut äußerte. Aber sie freute sich trotzdem.

Landeanflug: Der eigentliche Kapitän des Flaggschiffes α-Canopus, Juan Pablo Garcia Aspe, steuerte mit sicherer Hand das Raumschiff, bis es den Boden erreichte. Das war eine Begrüßung – Symphorosa II. fiel Symphorosa I. um den Hals, was bei den beiden Pferdedamen ein eindrucksvolles Schauspiel war. Da hielt man lieber Abstand.

„Ich habe gehört, dass es rauschende Feste gegeben hat!“, sagte der Admiral (auf der bisherigen Fahrt hatte Symphorosa ihm davon berichtet). „Und dass Du nackt warst, bis auf den Eisenreif, und dass Deine Tochter nackt war und die Gäste samt und sonders. Da wäre ich gern dabeigewesen!“

„Du warst ja unabkömmlich – wer nicht will, der hat schon gehabt!“, ließ die Oberste Gebieterin ihre Weisheit spüren. „Ich war wirklich unabkömmlich (wie Du es nennst), ich musste die unterirdische Stadt untersuchen!“

„Das konnte warten! Da wär‘s auf die paar Wochen nicht angekommen! Dann konntest Du Dir die Veranstaltung geben!“, versetzte Symphorosa I. „Egal, es ist nicht mehr zu ändern. Und so wird Dir die Gelegenheit entgehen, mich hüllenlos zu sehen! Es ist Dir was entgangen, denn trotz meines fortgeschrittenen Alters bin ich durchaus gut in Form!“. Das konnte man laut sagen, denn die Oberste Gebieterin machte durchaus noch etwas her. Sie war schlank wie und je und etwas größer als Symphorosa, nicht viel, aber eben doch. Sie war würdevoll, das war sie, selbst in ihrer Blöße (der Admiral konnte sich das vorstellen), während das erheblich jüngere Fohlen lauter Unsinn im Kopf hatte.

Kurylenko stellte das vor – in seinen kühnsten Träumen von Mutter und Tochter, hatten sie ihn beide befriedigt. Aber in der Praxis konnte das nicht gut gehen – aus technischen Gründen, er wäre zwischen den beiden zerquetscht worden. Wie auch immer, er hatte ja seine Frau, um ihm zu genügen. Und die Juniorin war ihm ohnehin lieber als die „Alte“ – sie war knackiger!

Bei dem gemeinsamem Essen, es gab Heu für die Pferde beziehungsweise „Normalkost“ für die Menschen, machte nach einer Phase des anmutigen Festmahls Symphorosa I. unter dem Tisch dem Admiral Avancen, indem sie seine Knie geheim berührte, während das normale Gespräch über dem Tisch ungehindert weiterging. Sie konnte das, geschuldet den vielen vergangenen Banketten, zweifellos sehr gut. „Ich möchte gerne, wenn‘s Dir nichts ausmacht, probieren, mit Dir zu schlafen – einmal und dann nie wieder!“, flüsterte sie ihm zu, und erklärte, wie zur Entschuldigung: „Mein Ehemann ist vor vielen Jahren gestorben – und bei Dir juckt‘s mich wieder einmal!“

Als Symphorosa, seine Frau, einen Ausflug machen wollte, gähnte Kurylenko ausgiebig. „Ich habe keine Lust, mit Deinen Jugendfreundinnen mitzugehen! Geht allein!“ Symphorosa dachte sich nichts dabei und galoppierte allein los. Schon war Symphorosa I. zur Stelle und lotste den Admiral in einen Raum, in dem ihre Tochter keinen Zugang hatte. Sie zierte sich etwas, wie ein Schulmädchen, machte sich anschließend doch frei und präsentierte sich Mischa („Ich darf doch ‚Mischa‘ sagen!“) in ihrer ganzen Pracht, die nicht unerheblich war. Und dann, nachdem Kurylenko ebenfalls abgelegt hatte, ging‘s zur Sache.

„Danke! Meinen tiefempfundenen Dank!“, sagte die Oberste Gebieterin, während sie sich wieder anzog. „Ich bin überwältigt!“, konnte sie gerade noch herausbringen.

Symphorosa war mittlerweile mit ihren Freundinnen zurückgekehrt und hatte ein Lied auf den Lippen, das wie Wiehern klang…

Zweiundzwanzigster Abschnitt

Juan Pablo Garcia Aspe war startklar. Das war wieder einmal ein Abschied: Symphorosa I. und Symphorosa II. fielen sich mit lauten Wiehern in die Arme, wobei Symphorosa II. nicht ahnte, dass ihre eigene Mutter sie betrogen hatte – aus Bestemm, weil sie auch einmal mit dem Admiral in‘s Bett steigen wollte. Ihr Einwand, dass es nur ein einziges Mal dazu gekommen war, ging vollends in‘s Leere – man schlief einfach mit seinem Schwiegersohn. Wie auch immer – es war passiert und Schwamm drüber. Mischa (wie Mutter und Tochter ihn gleichermaßen nannten) tat gut daran, die Sache nicht zu vertiefen.

Aspe flog als erstes zu den Schleimis (wie Kurylenko die Angehörigen der Age-Kultur gerne bezeichnete). Empfangen wurden sie von einem Komitee, gebildet aus Schleimis-Frauen, die einen geheimnisvollen Tanz, wie beim ersten Mal, aufführten. Dabei waren nur ihre roten Augen zu sehen, der Rest von ihren Körpern verlor sich im Nichts. Rote Augen, die fast magisch waren, und man konnte den Blick nicht von ihnen wenden.

Die Stimmung war wesentlich besser als beim ersten Mal. Der Häuptling war insbesondere kooperativ unterwegs und setzte sich mit dem Admiral zusammen, um ernsthaft die offen Fragen zu besprechen – so da waren, die Grenzen der Einflusssphären beider (nämlich jene der Menschen und jene der Schleimis) Welten abzustecken und die besonders strittigen Gebiete auszuräumen. Symphorosa kam eine tragende Rolle zu, indem die Blicke der männlichen Exemplare auf ihr ruhten, sie den Blicken brav standhielt und sie geradezu herausforderte. Namentlich der Häuptling war ganz scharf auf sie, was in aller Regel ein infernalisches Grunzen auslöste. Persönliche Annäherung gab es keine.

Die Leute von der Ages-Kultur machten sich die von Sergeant Ositanachi entwickelte Vorrichtung zu einer besseren Beweglichkeit der Wesen zu eigen. Sie hatten sie mittlerweile in großen Stückzahlen produziert – wer was auf sich hält, hatte diese Erfindung bereits. Dafür waren dem Sergeant – soweit ersichtlich (ganz wurde man niemals schlau bei den Schleimis) – ewig dankbar. Wäre die Zahl der Schleimis nicht so hoch gewesen, hätte man mit ihnen normal reden können, so aber gestaltete sich die Kommunikation schwierig, eben weil es so viele waren.

Dann, nachdem die Gespräche erfolgreich abgeschlossen waren, gab es das obligate Gelage. Dabei würgte die Delegation der Menschen das unaussprechliche Zeug unter Todesverachtung hinunter, abermals (wie bei der letzten Gelegenheit) unter den aufmunternden Rufen: „Das schmeckt köstlich!“ Und sie ließen sich das „köstliche“ Mahl schmecken.

Vorbei ist vorbei. Sie bestiegen ihr Raumschiff und Aspe brach zum nächsten der „Konföderierten Planeten“ auf, nämlich zu den Wasserwesen. Der König empfing die menschliche Delegation überraschenderweise hochkonzentriert und freundlich. Er hatte seinen (sozusagen) negativen Taucheranzug an, der es ihm ermöglichte, dass innen Wasser und außen Luft war. Sein Maskottchen hatte er ebenfalls dabei, seine Königin in der bewussten Box, zusammengekauert, mit dem Kopf zwischen dem Fischschwanz eingeklemmt, und abermals innen Wasser und außen Luft. Die Königin hatte sich schon an ihre unnatürliche Position gewöhnt – sie wollte es gottergeben (oder was immer ein entsprechendes Synonym für „Gott“ war) hinnehmen.

Der König war diesmal von ausgesuchter Höflichkeit.

Dreiundzwanstigster Abschnitt

Der König war diesmal von exorbitanter Höflichkeit. Er befliss sich – abgesehen von seinem Maskottchen, das er quälte – einer Liebenswürdigkeit, die ihresgleichen suchte. Kurylenko war deshalb insgeheim äußerst alarmiert und extrem vorsichtig. Offiziell gab er sich leutselig und ebenso konziliant wie der König.

Die Wasserwelt war ziemlich einzigartig – erstens existierte kaum ein Planet mit aquatischer Struktur im ganzen Universum, zweitens existierte kaum ein Planet mit eingeschränkter Raumfahrt – sodass sich das Problem mit der Abgrenzung zu TERRA II gar nicht stellte. Die anderen Welten hatten es immerhin geschafft, im Rahmen ihres eigenen jeweiligen Sonnensystems Kolonisation zu betreiben. Da gab es nicht viel zu besprechen und der Admiral wandte sich daher Privatem zu: „Warum quälen Sie die Königin so sehr? Geben Sie sie frei und lassen sie ziehen!“ Symphorosa bat ebenso für die Königin.

Dem König entgleisten die Gesichtszüge: „Warum mischen Sie in meine ureigensten Angelegenheiten hinein!“, fauchte er: „Das geht Sie überhaupt nichts an!“

Kurylenko biss sich auf die Lippen: „Verzeihen Sie!“, sagte er tonlos.

Der König sagte: „Schon gut! Ich nehme Ihre Entschuldigung an – zumal wir uns in den sonstigen Fragen blendend verstanden haben! Und sehen Sie, was ich jetzt mache…“

Er nahm die Box, gefüllt mit Wasser, und öffnete das Gefängnis: Heraus kam die Königin, wie ein an‘s Land verschlagener Fisch! Sie japste und röchelte und hechelte, aber der König war unerbittlich und grausam und geradezu fürchterlich. Er wartete, bis es fast zu spät war, und dann steckte er sie wiederum in ihr aquatisches Element. Symphorosa reagierte mit Abscheu – sie hatte vergeblich um Gnade für die Königin gefleht.

Der Admiral verabschiedete sich zusammen mit seiner Crew von diesem tristen Ort…

Vierundzwanzigster Abschnitt

Juan Pablo Garcia Aspe steuerte die Welt der Hominiden an. Er hatte insgeheim die Absicht, sich eine Angehörige dieses Volks (nach dem Vorbild von Ositanachi) anzulachen, wobei die Unterwürfigkeit der Untergebenen im Vordergrund stand (im Gegensatz zu Ositanachi, der der Befreiung den Vorzug gab). So würde er das natürlich offiziell niemals ausdrücken, ihm genügte, was die Sklavin (nennen wir es beim Namen) im stillen Kämmerlein mit ihm anstellte. Sonst war er öffentlich der stolze Spanier, unnahbar und sehr auf Distanz bedacht.

Der Sergeant und seine Freundin blieben diesmal im Raumschiff, nachdem dieses auf dem Stern der Hominiden gelandet war, um nicht böses Blut im Zusammenhang mit der Verbringung Kailays zu erzeugen. Der Vorstandssprecher begrüßte den Admiral und seine Frau überschwänglich (fast konnte man meinen, er übertrieb etwas).

Dann ging‘s an die Arbeit. Obwohl die Abgrenzungen der Territorien nach wie vor nicht unumstritten waren, einigte man sich mit Ach und Krach. Dabei existierten nur in irgendwelchen Randzonen ein Problem, das heißt ein Problemchen – nicht einmal der Rede wert. Es folgte das übliche Fest!

Die Fete geriet früher oder später außer Kontrolle, vor allem, weil die Teilnehmer dem ortsüblichen Gesöff zusprachen – was immer das war. Es schmeckte auch den Bewohnern von TERRA II äußerst hervorragend. Der Admiral war zuletzt derart aufgekratzt, dass er Symphorosa dem Vorstandssprecher zur freien Verfügung anbot. Symphorosa war anscheinend oder scheinbar (je nach dem, wieviel sie von dem Trank genossen hatte) empört, dass Mischa dieses Offert legte. Und dann ging‘s an‘s Eingemachte – der Vorstandssprecher war hochgradig nervös, wie immer wenn man eine neue Frau kennenlernte (und sei sie noch so stutenhaft). Die „Stute“ war angetan von seinem Goldglanz, der war ihr von vornherein unangenehm, zumal sie sich das Getränk ordentlich eingeflößt hatte. Sie wartete darauf, was jetzt kommen würde, ganz passiv. Er drehte fast durch, um sie nur ja zufriedenzustellen.

Die Übrigen waren mittlerweile nicht untätig – Aspe suchte und fand ein geeignetes Objekt (so drückte er sich nur hintenherum aus) namens Emanuela. So süß war sie, in ihrer dunklen goldenen Hautfarbe – direkt zum Anbeißen. „Nimmst Du mich wie der Sergeant, damit ich dem hier entkomme? Das wäre mein größter Wunsch!“, flehte die Frau (das Objekt, dachte der Kapitän hinterfotzig).

„Mein Engelchen, ich verspreche Dir, dass ich Dich gleich auf‘s Schiff bringe, sowie das hier vorbei ist!“, beruhigte er.

Das Fest neigte sich ohnehin dem Ende zu – der Vorstandssprecher war einigermaßen zufrieden. Er hatte einen hochbekommen, sodass er sich nicht blamierte. Der Admiral war ernüchtert, dass seine Tussi den Akt heruntergespult hatte. Aber Kurylenko war auch deshalb ernüchtert, weil er sah, wie Symphorosa angesichts seines Verhaltens verschnupft war, weil sie so ohne weiteres zur Verfügung gestellt hatte – er konnte sich das nachträglich selbst kaum erklären. Und so traten sie die Heimreise nach TERRA II an.

Juan Pablo Garcia Aspe saß in seinem Kommandosessel. Er hatte Emanuela neben sich – diese konnte die Augen nicht von ihm wenden. Endlich der Fron entkommen zu sein, war ihr Bestreben. Da wusste sie noch nicht, was ihr blühte…