Main menu:

Kleines Land – große Pläne

Werner Schicklgruber

Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt. Kann es eine bessere Ausgangslage für den Umbau von Strukturen geben, noch dazu, wenn uns die forcierte Integration in den größeren europäischen Wirtschaftsraum argumentative Unterstützung bietet?

Ein kleines Land hat – generell gesprochen – seinen eigenen Charme, der möglicherweise darin liegt, dass die Entfremdung des Einzelnen gegenüber den Institutionen nicht so stark erlebt wird wie in größeren territorialen Einheiten. Rein ökonomisch hat die Kleinheit natürlich auch ihre Nachteile. Die staatsphilosophisch gesehen unabhängig von der Größe gegebene Souveränität innerhalb der internationalen Gemeinschaft ist selbstverständlich in der Praxis ein Relativum. Den wahren Spielraum der Handlungsfähigkeit determiniert die Kunst, eine wirtschaftliche Faktorkombination zu finden, die den Traum der Selbständigkeit zu finanzieren vermag.

Da gibt es immerhin in bezug auf unser Land einen interessanten Befund. Reist man als Österreicher durch die Welt, ist die Chance, einem anderen Österreicher zu begegnen, eher gering: nur einer von 666 Erdenbürgern ist ein Landsmann von uns. Demgegenüber ist die Wahrscheinlichkeit, weltweit auf ein österreichisches Exportprodukt zu treffen, wesentlich größer: eine von 83 Welthandelseinheiten ist „Made in Austria“.

Ganz offensichtlich ist hier die vorhin angesprochene Faktorkombination am Werk, deren konkrete Komponenten innovative Unternehmen, qualifizierte Arbeitskräfte und ein konsensualer Weg der Wirtschaftspolitik sind – um nur jene zu nennen, die einem ohne langes Nachdenken einfallen. Die Lebensfähigkeit Österreichs ist heute unbezweifelt, im Gegensatz zu früheren Zeiten, die eher auf die Enge des Raumes bzw. die Begrenztheit natürlicher Ressourcen gesehen haben als sich von den genannten (aus der Kreativität der hier lebenden Menschen entwickelten) immateriellen Dimensionen überzeugen zu lassen.

War es nicht äußerst kreativ, im Kontext einer bestimmten Entwicklungsphase der Zweiten Republik jenen spezifischen „Austrian policy–mix“ zu definieren, dessen Kernstück die Hartwährungspolitik ist? Es sagt nichts über die vergangene Qualität dieses wirtschaftspolitischen Ansatzes aus, wenn wir feststellen müssen, dass er offensichtlich nicht für alle Zukunft weitergelten kann (insbesondere dann, wenn wir einräumen, dass ein Teil davon auch eine eher expansive Budgetpolitik war, die so nicht fortgesetzt werden kann, Maastricht hin oder her). Jedenfalls war es ein kühner Wurf, den Schilling an die D–Mark zu binden, entgegen allen möglichen und durchaus gerechtfertigten Bedenken, also vor dem Hintergrund

a) einer Wirtschaftstheorie, die von den streng wissenschaftlichen Grundlagen her einer solchen Maßnahme vorerst mit Skepsis begegnete, und

b) von Finanzmärkten, die nicht unbedingt dazu tendieren, politischen Ankündigungen unbesehen Glauben zu schenken.

Nothing succeeds like success, haben wir zu unserer eigenen Überraschung erfahren. Aber wie schon gesagt: die Rahmenbedingungen haben sich geändert und ändern sich noch weiter, und daher muss man den Erfolg sozusagen am Kochen halten. Oder anders ausgedrückt: Erfolg kann nicht administriert werden.

Es ist also wieder einmal so weit – eine neue bahnbrechende Konzeption muss gefunden werden! Da ist es klar, dass man es nicht allen recht machen kann. Wie jede avantgardistische Hervorbringung in Malerei, Musik, Architektur usw. werden auch neue politische Ideen zunächst angefeindet und ihre Exponenten mit Killer–Phrasen zermürbt. Aber keine Angst: wenn die Sache wirklich gut ist, wird sie irgendwann zum Klassiker, den jeder seit jeher akzeptiert haben will.