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UNENDLICHE WEITEN – Leseprobe 2

Fünfter Abschnitt

Da tauchte quasi aus dem Hinterhalt der Feind auf. Ψ hätte helfen können, allein sie (sie war als Frau programmiert) war ja mit der Signaloffizierin Pak Sang-Ook beschäftigt, und das ausgiebig, denn Ψ hatte sich mit ihrer Rolle angefreundet. Ganz konnte sie aus ihrer Haut als vierdimensionales Wesen nicht heraus, was Pak eine Fülle an Wonnen bescherte. Einerlei – die Zwei fielen aus bei der Verteidigung der Flotte.

Es waren diesmal nur Nadelstiche – dann war es wieder ruhig. Der Admiral und seine Crews hatten die Angriffe abwehren können, ohne dass Beschädigungen auftraten. War‘s das jetzt, oder hatten sie noch etwas zu erwarten. Sie hatten erhöhte Wachsamkeit – Alarmstufe rot!

Der Feind (oder die Feinde?) waren ungreifbar, sie kamen und gingen, wie es ihnen beliebte – und das hatte, abgesehen von den üblichen versteckten Bosheiten, durchaus katastrophale Auswirkungen, man erinnerte sich an das, was α-Sirrah, α-Sualocin, α-Thuban, α-Dubhe, α-Acrux, α-Beteigeuze, α-Antares und α-Sadal-melik und den ihnen zugeordneten Einheiten passiert war.

Was war eigentlich mit den Mannschaften (beziehungsweise Frauschaften) der in Frage stehenden Raumschiffe geschehen? Waren sie alle tot oder schwer verletzt, wo immer sie geblieben waren? Der Admiral interessierte sich besonders für das Schicksal seiner Kollegen, der anderen Admirale von den übrigen Gruppen. Allein, der Verbleib der Verschollenen war rätselhaft, ob Admiral oder einfaches Besatzungsmitglied.

Das Leben ging weiter. Kurylenko hatte wieder Spaß an seinem Maschinenwesen. Signaloffizierin Pak Sang-Ook war wieder im Dienst. Ψ überlegte ernsthaft, wie sie (sie fühlte sich ganz als liebende Frau) den Menschen helfen könnte. Allein Pak war es zu verdanken, dass sie den Ruch des Flatterhaften ultimativ ablegen wollte. Dabei entwickelte sie folgenden Plan: Sie würde – als Ψ – den Feinden nachspüren und sie aus ihrer Reserve locken. Bis jetzt war ja eigentlich das Versteck oder die Verstecke des Feindes beziehungsweise der Feinde mysteriös geblieben. Aber mit Ψs Hilfe wäre dieses Manko behoben. Gesagt getan – sie (als Ψ) machte sich auf die Suche. Dabei fiel ihr eines auf – die Feinde alle drei (es waren drei, das war schon wertvolle Information) kamen alle aus einem Octoanten, und zwar aus dem ε-Octoanten, während die Menschheit, wie wir sie kennen (oder das, was von ihr übrig war) bekanntlich aus dem α-Octoanten stammte.

Wie sich herausstellte (dank Ψ), hatten die Gegner zunächst über viele Jahre hinweg einander bekriegt – dann hatten sie aus Erschöpfung Frieden geschlossen, trauten sich aber immer noch nicht über den Weg. Es dauerte zumindest eine Generation, bis es erste zarte Annäherungen gab. Das war gar nicht so einfach, denn während bei kriegerischen Auseinandersetzungen das Wort eher weniger Rolle spielte, hatten sie bei friedlichen Wettstreit das Problem der Sprache. Und sie waren durchaus unterschiedlich sei es, was den Körperbau betraf, die Physiognomie und die Standards bei den alltäglichen Verrichtungen. Lediglich die Waffensysteme waren auf einem vergleichbaren Stand, durchaus identisch mit jenem der Menschen – allerdings wusste man nicht, wo man hinschießen sollte, bis Ψ es verriet.

Da gab eine Zivilisation, die den Menschen gleich war, Humanoiden also. Sie waren blond und blauäugig und lebten relativ primitiv in Hütten, was einen Widerspruch zur Hochtechnologie bedeutete, wie sie sich beispielsweise in Raumschiffen darstellte. Das hatten sie sich von einer untergegangenen Lebensform angeeignet – und, nach einigen Versuchen, die mißglückt waren, hatten sie endlich fliegen gelernt. Dann gab es eine merkwürdige Zivilisation von schleimigen Wesen mit großen roten Augen, deren Extremitäten sich im Nichts zu verlieren schienen. Wie sie es geschafft hatten, Raumschiffe zu bauen, war rätselhaft. Sie hatten es gleichwohl zustande gebracht. Die dritte Zivilisation war nicht weniger befremdlich – sie waren Wasserwesen, die in einem Ozean lebten, und sie ähnelten einer Mermaid oder einem Merman. Hier war es eine genau so seltsam, wie es gelungen war, Raumschiffe anzufertigen. Das alles hatte Ψ ausgekundschaftet – nun ging es an‘s Eingemachte, und das war es ihnen heimzuzahlen: Auge um Auge und Zahn um Zahn!

Sechster Abschnitt

Admiral Kurylenko hatte es anders überlegt – Rache war nicht das, was er anstrebte: Eine Konföderation aller vier Zivilisationen schwebte ihm vor! Das war gefühlsmäßig noch recht einfach mit den Humanoiden, schwieriger war es schon mit den Schleimis oder mit den Wasserwesen – ganz zu schweigen, was da noch daherkommen würde, an bis dahin unbekannten Kreaturen.

Aber halt! Was ist eigentlich mit Ψ? War Ψ wirklich in allen acht Octoanten zugange oder war Ψ nicht so allmächtig wie behauptet? Weit gefehlt: Ψ suchte brav alle acht Octoanten ab – es zeigte sich, dass es noch fünfunddreißig andere Zivilisationen gab, aber die waren in der Regel viel zu weit weg, als dass sie der Menschheit (oder das, was von ihr übriggeblieben war) gefährlich werden konnte. Mit einer Ausnahme: Die Sacsayhuamán-Kultur aus dem γ-Octoanten, aber davon später. Ψ hatte überdies die Namen der drei in Frage stehenden Kulturen herausgefunden – Nasco-Kultur (für die Humanoiden), Age-Kultur (für die Schleimis) und Wesnajshabdem-Kultur (für die Wasserwesen), alle wie gesagt – aus dem ε-Octoanten.

Der Admiral beschloss, mit alldiesen Zivilisationen Kontakt aufzunehmen. Das war gar nicht einfach, aber mit Ψ Hilfe konnte es gelingen. Ψ war überhaupt pflegeleicht, ganz anders, als „sie“ früher gewesen war. Dabei stand „sie“ unverrückbar auf Seiten der Menschen, dank der besonderen Beziehung zu Pak Sang-Ook, der Ψ total verfallen war – in „ihrem“ Format als Geliebte Paks. Über Vermittlung von Ψ gelang Kurylenko die Kommunikation mit den Anderen aufrechtzuerhalten. Das war – wie gesagt – nicht so einfach, aber am Schluss gelang es doch, die Eliten der Zivilisationen auf das Flaggschiff der Menschen einzuladen.

Da waren zwei männliche Wesen und zwei weibliche Wesen oder zumindest hielt es der Admiral dafür. Dabei galt es folgendes zu beachten: Es musste für jeden und für jede das Habitat erzeugt werden, die ihm oder ihr entsprach. Das Wasserwesen hatte sich ein Aquarium mitgebracht, in dem es relativ fröhlich herumplanschte. Der Schleimi, wie Kurylenko ihn nannte, war ein Problem, indem es überall seine Spuren hinterließ. Sergeant Ositanachi („Frag‘ einen Sergeant!“) löste die Angelegenheit insofern, als er flug’s eine feste Unterlage entwickelte, mit der sich das Geschöpf mühelos bewegen konnte. Die Humanoidin, die als Abgesandte ihres Volkes hierher gekommen war, stellte kein Hindernis dar, ebensowenig wie der Admiral, der sich als Vermittler angeboten hatte. Als Vertreter der zahlenmäßig geringsten Gruppe war Kurylenko die Aufgabe übertragen worden, da die drei Übrigen nicht die Gefahr sahen, über den Tisch gezogen zu werden.

Die Verhandlungen erwiesen sich naturgemäß als äußerst schwierig, nicht so sehr aus sprachlichen Gründen, aber weil die Kontrahenten einander nicht verstehen wollten. Ψ tat „ihr“ Möglichstes zur Verständigung, dabei war es „ihr“ gar nicht recht, wenn – außer die Menschen – noch andere Kreaturen (O-Ton Ψ) an „ihrem“ Geheimnis teilhaben könnten. Eine endlose Konferenz! Dabei empfanden sich die drei Gesandten ganz wohlig – sie bekamen aus dem Replikator die heimatlichen Genüsse zu spüren. Sie begannen sich ausgesprochen behaglich zu fühlen.

Der Admiral machte dem ein Ende, indem er sagte: „Dann werden wir uns die jeweiligen Heimatländer vor Ort anschauen!“ Und los ging‘s mit der β-Miaplacidus, Geschwindigkeit Warp 10, die Raumschiffe der übrigen drei Welten hinterher…

Siebenter Abschnitt

Kurylenko ließ bei der Wasserwelt stoppen – die restlichen Drei hinterher. Sie schwenkten in eine Umlaufbahn ein, nur das Raumschiff der Wasserwesen tauchte im Ozean unter, um den Empfang vorzubereiten. Ψ (als einfaches Besatzungsmitglied) und Pak Sang-Ook waren ebenfalls an Bord und begleiteten den Admiral, unauffällig zunächst, aber die Beiden wichen nicht von seiner Seite. Sie fuhren gemeinsam in einen Schacht, den die Wasserwesen bereitgestellt hatten und der normaler Atemluft befüllt war. Dann kamen sie in eine wunderschöne, geräumige Blase, in der sämtliche Annehmlichkeiten zu finden waren. Analoges geschah mit den Humanoiden (von denen drei gab, gemäß der entsprechenden Vereinbarung) und mit den Schleimis (wieder nur drei Abgesandte, die sich das Fortbewegungsmittel, wie vom Sergeant Ositanachi entwickelt, mitgebracht hatten) – müßig zu sagen, dass es nur drei Wasserwesen waren, die gemäß Abmachung dabei sein durften. Und da bewirtete die Wasserkultur ihre Gäste mit heimatlichen Genüssen jeglicher Art, auch wenn sie lediglich aus den Replikatoren kamen.

Und dann machten sie sich einmal mehr über die komplizierte Aufgabe her, den alles entscheidenden Kompromiss zu finden. Der Admiral schlug vor, einen „Rat der konföderierten Planeten“ zu bilden, in den jeder der Drei sich um die inneren Angelegenheiten wie bisher auch autonom kümmern sollte, aber was die Außen- und die Verteidigungspolitik betraf, die Planeten geschlossen auftreten würden. Der Vorschlag Kurylenkos wurde grundsätzlich begrüßt, aber viele Details mussten noch verhandelt werden. Dazu gehörten insbesondere die Verteidigungspolitik stand auf dem Prüfstand, manche Teilnehmer wollten sie lieber durch „Kriegspolitik“ ersetzt wissen, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Außenpolitik. Der Admiral war entschieden dagegen: „Wie immer es heißt, Verteidigungspolitik ist allemal vernünftiger (beziehungsweise verschleierter), als die Wahrheit!“. Er setzte sich nach vielem und her am Ende durch.

Der Admiral entwickelte sich immer mehr zu einem Sprachrohr der ganzen Gruppe, war aber klug genug, um sich selbst zurückzunehmen (und dadurch an heimlichen Einfluss zu gewinnen, nicht zuletzt auf Rat von Ψ). Kurylenko riet ihnen, im sogenannten „Direktorium“ statt eines fixen Vorsitzes eine revolvierende Variante zu wählen – nach der Erdzeit (eine Hommage an TERRA I) jeweils für ein Jahr. Er ließ dazu „überreden“, den ersten dieser Turnusse zu übernehmen.

Als erste Tat nahm Kurylenko sich vor, die Sacsayhuamán-Kultur aus dem γ-Octoanten zu besuchen – nicht ahnend, was sie da erwarten würde. Es erwartete sie etwas, was man als „Paradies auf Erden“ (beziehungsweise auf dem fremden Planeten) bezeichnen würden – jedenfalls für eine Art von intelligenten Pferden. Ihre Vorderhufe hatten sich vor langer Zeit in Finger verwandelt und, was das am meisten auffiel, sie gingen aufrecht. So hatten sie schon einen Typus primitiver Raumfahrt entwickelt, mit dessen Hilfe sie, betont friedlich, ihre Nachforschungen anstellten. Sie waren – soweit ersichtlich – friedliche Tiere (das war jetzt ein Fauxpas), selbstverständlich handelte sich um keine Tiere, sondern um „Menschen“ im Wortsinn. Eindrucksvoll waren sie schon, voll aufgerichtet, sicher zwei Meter, manche auch größer. Aber Kurylenko ließ sich davon nicht beeindrucken – er verfolgte das Ziel, auch die Pferdewelt in seinen Plan aufzunehmen.

Die Chancen dafür standen nicht schlecht.

Achter Abschnitt

Der Admiral versuchte es mit allen Mitteln. Er war daraufgekommen, dass es bei diesem Planeten um eine matriarchalische Gesellschaftsform handelte – die Hominiden, genauso wie die Schleimis und die Wasserbewohner hatten ebenso wie die Menschen patriarchalische Strukturen. Er lachte sich die Tochter der Obersten Gebieterin an und diese war nicht abgeneigt, mal was Neues zu versuchen.

Ersparen Sie mir, auf Einzelheiten einzugehen — nur eines: Sie waren ein schönes Paar, soviel ist gewiss! Unter den wohlwollenden Blicken der Mutter spielten die Beiden das ewige Spiel – und das ist immer das Gleiche, über größte Distanzen und über viele Entitäten hinweg. Neidisch beobachteten die anderen Wesen die Darbietungen, wie ein noch immer gut aussehender Terra II-Bewohner sich mit einer Stute vergnügte, die rassig war und in der Blüte ihrer Jahre stand. Die Oberste Gebieterin war diebisch stolz darauf, dass ihr das widerfuhr. Sie legte noch eins drauf, indem sie die Tatsache in‘s Auge fasste, dass der Admiral wieder fortmusste und dass die Nachkommin dann mitkommen musste – wenn er sie dann noch haben wollte. Er nannte es Verschwägerung und die Sache war gelaufen. Es gab eine große Hochzeitszeremonie mit allem Drum und Dran, und der Pakt war besiegelt.

„Du musst wissen, dass in unserer Kultur die Hengste ausschließlich zur Deckung dienen – sonst haben sie an sich keine Funktion mehr!“, erklärte die Tochter der Obersten Gebieterin (ihr Name war übrigens Symphorosa II, im Gegensatz zu ihrer Mutter Symphorosa I). „Aber ich wäre durchaus bereit, die Rollen zugunsten von Dir zu verschieben!“ – „Das wird auch notwendig sein, denn ich bin es gewöhnt zu befehlen, und nicht, um Befehle zu befolgen. Dann können wir gut miteinander auskommen!“

Rein technisch war der Verkehr zwischen ihnen Beiden gar nicht einfach, aber nach einer gewissen Gewöhnungsphase ging es relativ gut. Dabei legte sich Symphorosa (II) auf den Rücken und Kurylenko darüber und dann – Sie wissen schon: Bang – bang – bang! Das übliche halt. Sie ließ den Admiral nicht spüren, dass er von minderer Dimension war als ein Vertreter ihrer Rasse, mit denen sie auch Kontakte hatte – trotz des Verbotes der Mutter, heimlich, denn es war an sich verboten, sich verehelich zu paaren. Aber Kurylenko gab sich ordentlich Mühe, sie zu befriedigen. Er hatte eine Technik entwickelt, um tiefer in sie einzudringen – mit einem Aufschrei ihrerseits, da wusste er, dass er auf dem richtigen Weg war. Was hatte eigentlich Symphorosa an – Straßenkleidung zunächst, bevor sie sich in ihrer ganzen Pracht heißblütig präsentierte. Kurylenko war nackt wesentlich weniger attraktiv anzusehen.

„Ich habe ein ernstes Anliegen an Dich, meinen Schwiegersohn.“, sagte Symphorosa I. „Der Titel, der Dir zusteht, ist ‚Beigeordneter der Erbin der Obersten Gebieterin‘ genauso wie Deine Frau ‚Erbin der Obersten Gebieterin’ genannt wird. Mein Problem ist nun Folgendes: Wenn Du mit Deiner Angetrauten in Deine Welt zurückkehrst, müsste Ihr – im Falle meines Todes – einen Vögtin ernennen. Die sich um alles zu kümmern hat – und den Ihr selbst suchen müsst.“
Und so durchkämmte der Admiral, tatkräftig unterstützt durch seine liebe Frau, die entsprechenden Foren. Da war eine sehr distinguierte Stute namens Ephrosine, die den Beiden gefiel. „Die nehmen wir!“, waren sich Kurylenko und Symphorosa einig.

Sie wurden von Ψ und Pak Sang-Ook zum Aufbruch gemahnt…