Main menu:

Agatha Collins – Der erste Fall

Agatha Collins war elegant – das musste als Erstes von ihr auffallen. Sie war konservativ gekleidet, aber von erlesenem Geschmack. Sie trug ihre schwarzen Haare kurz, enganliegend – früher hätte man das als Bubikopf bezeichnet. Sie arbeitete in der P.R.-Branche, in einem nicht sehr erfolgreichen Unternehmen – sie hatte sich unter ihrem Wert verdingt, aus einer Laune heraus.

Ihr geschiedener Gatte – Charlie Collins – hatte sich seit langem dem Suff ergeben. Die Erfahrungen mit ihm waren nicht dazu angetan, männliche Begleitung nachgerade anzustreben. Und so traf es Agatha wie ein Blitz aus heiterem Himmel…

James Cagney – ein Mann in den besten Jahren, so man sagt gemeinhin, wenn er auch nahezu doppelt so alt war wie sie. Er erwies sich als soigniert und gebildet, und sie verliebte sich in ihn – unsterblich. Sie war geradezu besessen von ihm. Diese Leidenschaft, die man glattweg auch als Fanatismus bezeichnen könnte, war von vornherein unsinnig. Das gestand sie sich in hellen Momenten auch ein – diese Augenblicke wurden aber immer weniger. Aber auf ihren Job hatte das Ganze nicht den geringsten Einfluss, da ließ Agatha sich glücklicherweise von niemanden dreinreden, auch vom Angebeteten nicht. Da passierte ihr folgendes: Sie hatte einen für sie fetten Auftrag in Land, von einer Brauerei in der Gegend, für die sie eine Homepage gestalten musste und die ganzen Werbeauftritte besorgte. Getreulich vollführte sie, was ihr Beruf von ihr verlangte – und, wie ich hinzufügen muss, in einer exzellenten Art und Weise.

Wie auch immer – bei ihrer privaten Beziehung lief es weniger gut. Die Ansätze waren zu verschieden – hier eine romantische Schwärmerei, dort purer Sex. Aber James verriet ihr nicht seine wahren Gefühle, und Agatha glaubte, es sei dasselbe, was sie für ihn fühlte, wie das, was er für sie empfand. Bei Cagney lebte bloß seine verloren geglaubte Libido wieder auf: „Ich kann’s noch immer!“, war das, was er sich banalerweise dachte.

Bei ihren dienstlichen Verrichtungen begegnete die Collins zufällig ihm, wie er aus dem örtlichen Bordell kam. Sie versteckte sich klugerweise, sodass er sie nicht sehen konnte. Ihr kriminalistischer Spürsinn war erwacht! Sie hatte dieses ein wenig ungewöhnliche Hobby – die Vergewaltiger, Diebe und Mörder dingfest zu machen, wobei sie sich nicht selten ungeheuren Gefahren aussetzte.

Gewissenhaft, wie sie nun einmal war, erwarb sie sich die erforderlichen beruflichen Basiskompetenzen in einem professionellen Ausbildungskurs bei der Europäischen Detektiv-Akademie EURODET. Dort brachte man ihr die berufsspezifischen Rechtsgrundlagen, insbesondere Berufsspezifisches Recht (Gewerbeordnung, Grundlagen des Strafrechts, Grundlagen des Verwaltungsrechts) und die EDV-Anwendungsbereiche (aber diese konnte sie ohnehin). Besonders war sie an Sicherheitsüberwachungskenntnissen, insbesondere Gebäude- und Objektschutz (Bewachung, Wachdienst), Kriminalitätsbekämpfung (Kriminalistik), Personenschutz interessiert. Es gab da noch die sogenannten überfachlichen beruflichen Kompetenzen, wie analytische Fähigkeiten, Beobachtungsgabe, Diskretion und Kommunikationsstärke.

Was hatte er in einem Freudenhaus zu suchen? Nicht um das Naheliegende zu konsumieren – das gab Agatha James selbst, zumindest vorläufig. Zielstrebig ging sie in das Etablissement, das sich, wie sich herausstellte, im Stadium „heruntergekommen“ präsentierte. Die Rezeption war unbesetzt, was ihr freie Hand gab, sich umzusehen. Bei der Gelegenheit stieß sie auf ein Zimmermädchen, das aus ihr uneinsichtigen Gründen relativ gesprächig schien. Sie fragte, was der Mann, der soeben weggegangen war, gewollt hätte.

„Das ist ein Stundenhotel – was wohl?“, bemerkte die Frau verschmitzt. Dann stellte sich heraus, dass sie an der Tür gelauscht hatte, hinter der der Galan verschwunden war. Und da hatte sie statt dem üblichen Liebesgeflüster gehört, was ihr zunächst die Haare zu Berge stehen ließ. Die Partnerin des Mannes versorgte ihn mit der nächsten Order – er war nämlich Profikiller! Das zu vernehmen und flüchten, das war für das Zimmermädchen eins. Sie versteckte sich, aber so, dass sie weiter alles im Auge behalten konnte. Der Mann, von dem Agatha wusste, dass es James Cagney war, ging fröhlich pfeifend davon. Kurz darauf erschien seine Auftraggeberin – eine üppige Blondine, von der ein unbeeinflusster Beobachter annehmen musste, dass sie nicht bis drei zu vermochte.

Agatha zeigte ihren Dienstausweis, der erkennen ließ, dass sie als Privatdetektivin unterwegs war. Die Hausangestellte erbleichte vor Ehrfurcht, was zur Folge hatte, dass sie künftig aufmerken wollte, wenn sich James – dessen Inkognito Agatha lüftete – wieder hier zeigte. Leider gab es keinen Anhaltspunkt dafür, gegen wen sich die Anweisung richtete. Jetzt war guter Rat teuer – letztlich ging es darum, ein Verbrechen zu verhindern, aber es fehlte jeglicher Hinweis.

Agatha begann, James vorsichtig auszuhorchen. Fehlanzeige – James war offensichtlich zu sehr Profi, als dass er ihr seinen Plan auf die Nase hätte, und versteckte Fingerzeige, die ihr die Angelegenheit merklich erleichtert hätten, gab es auch nicht. Und so musste sie sich zunächst an die Blondine halten. Diese sagte: „Kennen wir uns vielleicht – es schwant mir, dass wir uns schon einmal begegnet waren!“ „Mein Name ist Collins!“ „Aber natürlich – Collins!“

„Sollen wir uns duzen – das würde alles viel einfacher machen!“ Und so tranken sie Bruderschaft (eigentlich Schwesternschaft) miteinander. Das Ganze spielte sich in einem Lokal ab, in dem die Blondine saß und Agatha „zufällig“ hereinschneite. „Hocherfreut, man nennt mich Agatha!“ „Und mich nennt man Blondie!“ Wie sonst, dachte Agatha.

„Jetzt muss ich dir brühwarm Folgendes berichten: Ich habe einen Killer beauftragt, meinen Mann Gerald Sebastian umzubringen. Ich bin schon so aufgeregt über die Vollzugsmeldung!“ Agatha tat gar nichts, jetzt wo sie den Beweis hatte, war sie wie gelähmt – sollten sich gegenseitig töten. James Cagney hatte sie! Er kam gerade aus seiner Wohnung, als die Polizei ihn schnappte. Er landete im Gefängnis. Blondie würde wegen Beihilfe ebenso eine lange Haftstrafe bekommen…